Aufgrund eines Haftbefehls des Haftgerichts wegen dreifacher Einfuhr einer nicht geringen Menge an Betäubungsmitteln wurde unsere Mandantschaft in Haft genommen und die Untersuchungshaft angeordnet. Unsere Haftbeschwerde war erfolgreich. Die Staatsanwaltschaft wirft unserer Mandantschaft vor, an mehreren Einfuhrtaten von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (mindestens 138 Kilogramm Marihuana) mitgewirkt zu haben. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ das Amtsgericht einen Haftbefehl gegen unsere Mandantschaft, welcher anschließend vollstreckt wurde. Unsere Mandantschaft wurde in Untersuchungshaft genommen. Im Haftbefehl ging das Amtsgericht von Fluchtgefahr aus.
Am selben Tag legten wir gegen den Haftbefehl eine Haftbeschwerde ein. Nach unserer Ansicht lag kein dringender Tatverdacht (1. Voraussetzung für einen Haftbefehl) und kein Haftgrund (2. Voraussetzung für einen Haftbefehl) vor. Ein dringender Tatverdacht im Betäubungsmittelstrafrecht erfordert nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof eine besondere Begründungstiefe.
Bei der Prüfung des dringenden Tatverdachts hat der Richter ein auf den Stand der Ermittlungen zum Zeitpunkt der Haftentscheidung bezogenes Wahrscheinlichkeitsurteil dahingehend abzugeben, ob der Verfolgte sich schuldig gemacht hat. Dazu ist das vorliegende Tatsachenmaterial zu würdigen, wozu auch eine Überprüfung und Bewertung der Beweiskraft der sich aus den Akten ergebenden Beweismittel gehört. Stellt die Straftat einen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz dar, müssen die Betäubungsmittel der Art und der Menge nach eindeutig bestimmbar sein. Hierbei ist es jedoch ausreichend, wenn feststeht, dass sich die Tat auf einen Stoff bezieht, der dem Betäubungsmittelgesetz unterfällt; dann ist ein Schuldspruch wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz möglich (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 2021 – 5 StR 426/20, juris).
Auf dieser Grundlage führten wir in der Haftbeschwerde im Detail aus, warum ein dringender Tatverdacht nicht vorlag bzw. mit den vorhandenen Beweismitteln nicht begründet werden konnte. Zudem konnten wir der Prognose einer Fluchtgefahr durch stichhaltige Dokumente und Zeugenbestätigungen die Grundlage entziehen, so dass auch kein Haftgrund begründet werden konnte.
Nach der gesetzlichen Systematik hatte zunächst das Haftgericht, dass den Haftbefehl erlassen hatte, die Möglichkeit auf die Beschwerde hin seine Entscheidung zu überdenken, also der Beschwerde abzuhelfen und den Haftbefehl aufzuheben. Unsere Argumentation war so stichhaltig, dass wir begründete Hoffnung haben durften, dass das Haftgericht an der falschen Rechtsauffassung nicht festhalten und den Haftbefehl aufheben würde. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen wurde der Beschwerde jedoch nicht abgeholfen. Zudem mussten mir mit Nachdruck auf § 306 Abs. 2 StPO hinweisen, wonach das Haftgericht im Fall der Nichtabhilfe die Beschwerde spätestens vor Ablauf von 3 Tagen dem Beschwerdegericht vorzulegen hat, was das Amtsgericht bereits versäumt hatte.
So wurde unsere Haftbeschwerde der zuständigen großen Strafkammer beim Landgericht als Beschwerdegericht vorgelegt. Die Strafkammer führte umfangreich und sorgfältig in der Beschlussbegründung aus, warum vorliegend weder ein dringender Tatverdacht noch ein Haftgrund mit den vorhandenen Beweismitteln begründet werden kann und bestätigte somit unsere Argumentation. Es hob sodann unverzüglich den Haftbefehl des Amtsgerichts auf und ordnete die Freilassung unserer Mandantschaft an.