Ein unbegründeter Haftbefehl während einer laufenden Hauptverhandlung kann die Besorgnis der Befangenheit der Richter einer Strafkammer begründen. (BGH v 08.05.2014, 1 StR 726/13)
In einem Wirtschaftsstrafverfahren, welches über mehrere Hauptverhandlungstage lief, hatten sich die beiden Angeklagten vehement gegen die Vorwürfe zur Wehr gesetzt, sich dabei aber immer prozessual zulässig verhalten. Als ein Angeklagter am 11. Hautpverhandlungstag einen neuen Verteidiger beauftragte, führte dies bei den Berufsrichter der Strafkammer wohl zu der Befürchtung, die Angeklagten würden sich einer drohenden Verurteilung durch Flucht entziehen. Sie erließen sodann Haftbefehle aufgrund Fluchtgefahr. Diese Fluchtgefahr sahen sie vornehmlich darin, dass die Angeklagten sich bislang prozessual konflikthaft verteidigt hätten. Die Angeklagten lehnten sodann die Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Der Bundesgerichtshof gab dieser Auffassung recht und hob die Urteile gegen die Angeklagten auf. Nach Ansicht des BGH bestehe kein erkennbarer Zusammenhang, der eine Verknüpfung von konfrontativem Verhalten im Prozess und der Wahrscheinlichkeit des sich dem Prozess Entziehens tragen könnte. Ein Richter, der diese Verknüpfung herstelle, muss aus Sicht des Angeklagten befangen wirken, da der Angeklagte sich nicht mehr darauf verlassen könne, dass der Richter im Weiteren Gang der Hauptverhandlung ihm unvoreingenommen gegenüber trete.
Die Entscheidung des BGH ist deshalb wichtig, weil er die Rechtsstaatlichkeit des deutschen Strafprozesses schützt. Eine Hauptverhandlung muss konfliktreich sein dürfen, wenn die Angeklagten die Vorwürfe bestreiten. Solange sie und die Verteidiger sich im prozessual zulässigem Rahmen bewegen, sollen sie nicht mit einer strafprozessalen Zwangsmaßnahme wie dem Haftbefehl dafür bestraft werden. Entsprechend muss ein Angeklagte auch nicht mehr dulden, dass die Richter, die unbegründet einen Haftbefehl erlassen, weiter über ihn richten.