LG Essen: Freispruch vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Kindern in einer Vielzahl von Fällen zum Nachteil von zwei unterschiedlichen Zeuginnen.

Unser Mandant war vor dem LG Essen angeklagt, in einer Vielzahl von Fällen zwei unterschiedliche Anzeigeerstatterinnen sexuell missbraucht zu haben. Die angeblichen Taten sollten sich laut Anklageschrift vor einigen Jahren ereignet haben. Eine der beiden Anzeigenerstatterin trat im Verfahren als Nebenklägerin auf. Unser Mandat soll der Stiefvater der einen Zeugin und der „Ersatzvater“ der anderen gewesen sein. Rechtsanwalt Klefenz übernahm das Mandat erst nach Anklageerhebung und beantragte im Zwischenverfahren die Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens, zum Beweis der Tatsache, dass die Aussagen jeweils nicht erlebnisbasiert waren.

Rechtsanwalt Klefenz führte in der Antragsbegründung an, dass in einem Fall die Übertragungshypothese – also die Möglichkeit, dass das Geschilderte zwar tatsächlich erlebt aber durch eine andere Person begangen worden ist – nicht zurückgewiesen werden könne, da die Zeugin Opfer von Taten eines Dritten geworden war. Die andere Zeugin hatte die angebliche Erinnerung an die Taten erst im Rahmen einer Therapie „wiederentdeckt“ und dort auch besprochen. Dies stellte jeweils einen Umstand dar, der die Hinzuziehung eines aussagepsychologischen Sachverständigen notwendig macht, was bislang von der Staatsanwaltschaft unterlassen worden war.

Das Gericht folgte dem Antrag der Verteidigung und die Sachverständige kam zu dem von der Verteidigung prognostizierten Ergebnis, dass nicht mit der erforderlichen Sicherheit von einem Erlebnishintergrund der Aussagen auszugehen ist.

Das Gericht sprach unseren Mandaten nach einer umfangreichen Hauptverhandlung, in der auch beide Anzeigenerstatterinnen und weitere Zeugen vernommen wurden, frei. Es wurde auch aufgedeckt, dass die beiden Zeuginnen miteinander über die angeblichen Taten gesprochen hatten und sich so auch wechselseitig beeinflusst hatten. Das Urteil ist rechtskräftig.

Der Fall zeigt deutlich, wie wichtig es ist, in Sexualstrafverfahren einen Verteidiger zu mandatieren, der über vertiefte Kenntnisse im Bereich der Aussagepsychologie verfügt. Regelmäßig steht es bei sexualstrafrechtlichen Vorwürfen Aussage-gegen-Aussage. Der Bundesgerichtshof stellt in ständiger Rechtsprechung besondere Anforderungen an die Beweiswürdigung in Konstellationen, in denen Aussage gegen Aussage steht. Erforderlich sind insbesondere eine sorgfältige Aussageinhaltsanalyse und eine genaue Prüfung der Entstehungsgeschichte der belastenden Angaben, eine neutrale Bewertung der Aussagemotive, sowie der Frage der Konstanz der Angaben, vor allem bei komplexen Darstellungen. Schließlich wird die Prüfung von Detailliertheit sowie Plausibilität der Angaben gefordert. Zudem muss die Verteidigung erwägen, ob die Beantragung eines aussagepsychologischen Gutachtens – wie im vorliegenden Fall – sinnvoll ist, was besondere Sach- und Fachkenntnis bei Verteidiger voraussetzt.