Das BVerfG hat mit Beschluss vom 23.06.2010 entschieden, dass der Tatbestand der Untreue den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes des Art. 103 GG gerecht wird. Zur Entscheidung vorgelegt wurden drei miteinander verbundene Verfahren.
Im ersten Verfahren war dem Beschwerdeführer die Kontrolle über im Ausland außerhalb der offiziellen Buchhaltung geführter Konten übertragen worden. Die auf diesen „schwarzen Kassen“ geparkten Gelder verwendete er später zu Bestechungszwecken.
Der Beschwerdeführer im zweiten Verfahren war als Vorstand einer Betriebskrankenkasse tätig und bewilligte Angestellten über mehrere Jahre hinweg Prämien, die praktisch zu einer Verdoppelung des Gehalts der Mitarbeiter führten und deutlich von der üblichen Prämienpraxisabwichen, wonach lediglich einmalige Zahlungen über einen bestimmten Betrag erbracht wurden, die üblicherweise das Monatsgehalt eines Beschäftigten nicht überstiegen und schädigte dadurch das Vermögen der Gesellschaft. Im dritten Verfahren wurde dem Beschwerdeführer als Vorstandsmitglieder der Berlin-Hannoverschen Hypothekenbank AG vorgeworfen, unter Verletzung ihrer der Bank gegenüber bestehenden Informations- und Prüfungspflichten einen unzureichend gesicherten Kredit für die Anschaffung und Modernisierung von Plattenbauwohnungen über knapp 20 Mio DM bewilligt und ausgezahlt zu haben.
Das BVerfG erklärt nun, dass das Regelungskonzept des Gesetzgebers zwar – im Interesse eines wirksamen und umfassenden Vermögensschutzes – zu einer sehr weit gefassten und verhältnismäßig unscharfen Strafvorschrift geführt habe. § 266 Abs. 1 StGB lasse jedoch das zu schützende Rechtsgut ebenso klar erkennen wie die besonderen Gefahren, vor denen der Gesetzgeber dieses mit Hilfe des Tatbestandes bewahren wolle. Der Untreuetatbestand lasse eine konkretisierende Auslegung zu, die die Rechtsprechung in langjähriger Praxis umgesetzt und die sich in ihrer tatbestandsbegrenzenden Funktionen grundsätzlich als tragfähig erwiesen habe.
In der Begründung führt das Bundesverfassungsgericht aus (2 BvR 2559/08):
“ a) Für den Gesetzgeber enthält Art. 103 Abs. 2 GG in seiner Funktion als Bestimmtheitsgebot dementsprechend die Verpflichtung, wesentliche Fragen der Strafwürdigkeit oder Straffreiheit im demokratisch-parlamentarischen Willensbildungsprozess zu klären und die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen (vgl. BVerfGE 75, 329 [BVerfG 06.05.1987 – 2 BvL 11/85] <340 f.>). Die allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze, dass der Gesetzgeber im Bereich der Grundrechtsausübung alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen (vgl. BVerfGE 101, 1 [BVerfG 06.07.1999 – 2 BvF 3/90] <34>; 108, 282 <312>) und dass er Rechtsvorschriften so genau fassen muss, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (Grundsatz der Normenklarheit, vgl. BVerfGE 93, 213 <238>), gelten danach für den besonders grundrechtssensiblen Bereich des materiellen Strafrechts besonders strikt. Das Bestimmtheitsgebot verlangt daher, den Wortlaut von Strafnormen so zu fassen, dass die Normadressaten im Regelfall bereits anhand des Wortlauts der gesetzlichen Vorschrift voraussehen können, ob ein Verhalten strafbar ist oder nicht (vgl. BVerfGE 48, 48 [BVerfG 15.03.1978 – 2 BvR 927/76] <56 f.>; 92, 1 <12>).
b) Allerdings muss der Gesetzgeber auch im Strafrecht in der Lage bleiben, der Vielgestaltigkeit des Lebens Herr zu werden (BVerfGE 28, 175 [BVerfG 15.04.1970 – 2 BvR 396/69] <183>; 47, 109 <120>). Müsste er stets jeden Straftatbestand bis ins Letzte ausführen, anstatt sich auf die wesentlichen für die Dauer gedachten Bestimmungen über Voraussetzungen, Art und Maß der Strafe zu beschränken, bestünde die Gefahr, dass die Gesetze zu starr und kasuistisch würden und dem Wandel der Verhältnisse oder der Besonderheit des Einzelfalls nicht mehr gerecht werden könnten (vgl. BVerfGE 14, 245 [BVerfG 25.07.1962 – 2 BvL 4/62] <251>).
Wegen der gebotenen Allgemeinheit und der damit zwangsläufig verbundenen Abstraktheit von Strafnormen ist es unvermeidlich, dass in Einzelfällen zweifelhaft sein kann, ob ein Verhalten noch unter den gesetzlichen Tatbestand fällt oder nicht. Das Bestimmtheitsgebot bedeutet nicht, dass der Gesetzgeber gezwungen wäre, sämtliche Straftatbestände ausschließlich mit unmittelbar in ihrer Bedeutung für jedermann erschließbaren deskriptiven Tatbestandsmerkmalen zu umschreiben. Es schließt die Verwendung wertausfüllungsbedürftiger Begriffe bis hin zu Generalklauseln im Strafrecht nicht von vornherein aus (vgl. BVerfGE 48, 48 [BVerfG 15.03.1978 – 2 BvR 927/76] <56 f.>; 92, 1 <12>; ferner BVerfGE 75, 329 [BVerfG 06.05.1987 – 2 BvL 11/85] <341 f.>). Der Gesetzgeber kann Tatbestände auch so ausgestalten, dass zu ihrer Auslegung auf außerstrafrechtliche Vorschriften zurückgegriffen werden muss. Dies führt, soweit es sich nicht um Normen zur Ausfüllung eines strafrechtlichen Blanketts handelt, nicht dazu, dass auch die betreffenden außerstrafrechtlichen Vorschriften am Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG zu messen wären (vgl. BVerfGE 78, 205 [BVerfG 18.05.1988 – 2 BvR 579/84] <213>).
c)Welchen Grad an gesetzlicher Bestimmtheit der einzelne Straftatbestand haben muss, lässt sich nach alledem nicht allgemein sagen (BVerfGE 28, 175 [BVerfG 15.04.1970 – 2 BvR 396/69] <183>). Deshalb ist im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung möglicher Regelungsalternativen zu entscheiden, ob der Gesetzgeber seinen Verpflichtungen aus Art. 103 Abs. 2 GG im Einzelfall nachgekommen ist. Zu prüfen sind die Besonderheiten des jeweiligen Straftatbestands einschließlich der Umstände, die zu der gesetzlichen Regelung führen (BVerfGE 28, 175 [BVerfG 15.04.1970 – 2 BvR 396/69] <183>), wobei der Gesetzgeber die Strafbarkeitsvoraussetzungen umso genauer festlegen und präziser bestimmen muss, je schwerer die von ihm angedrohte Strafe ist (BVerfGE 75, 329 [BVerfG 06.05.1987 – 2 BvL 11/85] <342>). Auch der Kreis der Normadressaten ist von Bedeutung (BVerfGE 48, 48 [BVerfG 15.03.1978 – 2 BvR 927/76] <57>).
Soweit es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Grenzfällen ausnahmsweise genügt, wenn lediglich das Risiko einer Bestrafung erkennbar ist (vgl. BVerfGE 48, 48 [BVerfG 15.03.1978 – 2 BvR 927/76] <56 f.>; 92, 1 <12>), trägt dies der Unvermeidbarkeit von Randunschärfen Rechnung. Verfassungsrechtliche Bedenken, die die Weite eines Tatbestands (-merkmals) bei isolierter Betrachtung auslösen müsste, können zudem durch weitgehende Einigkeit über einen engeren Bedeutungsinhalt, insbesondere durch eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung, entkräftet werden (vgl. BVerfGE 26, 41 [BVerfG 14.05.1969 – 2 BvR 238/68] <43>; 87, 209 <226 f.>; 92, 1 <18>). Allein die Tatsache, dass ein Gesetz bei extensiver, den möglichen Wortlaut ausschöpfender Auslegung auch Fälle erfassen würde, die der parlamentarische Gesetzgeber nicht bestraft wissen wollte, macht das Gesetz nicht verfassungswidrig, wenn und soweit eine restriktive, präzisierende Auslegung möglich ist (vgl. BVerfGE 87, 399 <411>).
3.Für die Strafgerichte enthält der Satz „nulla poena sine lege“ Verpflichtungen in mehrfacher Hinsicht.
a)Der Gesetzgeber und nicht der Richter ist zur Entscheidung über die Strafbarkeit berufen (vgl. BVerfGE 71, 108 [BVerfG 23.10.1985 – 1 BvR 1053/82] <116>; 92, 1 <19>). Der Gesetzgeber hat zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er ein bestimmtes Rechtsgut, dessen Schutz ihm wesentlich und notwendig erscheint, gerade mit den Mitteln des Strafrechts verteidigen will. Den Gerichten ist es verwehrt, seine Entscheidung zu korrigieren (BVerfGE 92, 1 <13>). Sie müssen in Fällen, die vom Wortlaut einer Strafnorm nicht mehr gedeckt sind, zum Freispruch gelangen und dürfen nicht korrigierend eingreifen (vgl. BVerfGE 64, 389 [BVerfG 05.07.1983 – 2 BvR 200/81] <393>). Dies gilt auch dann, wenn infolge des Bestimmtheitsgebots besonders gelagerte Einzelfälle aus dem Anwendungsbereich eines Strafgesetzes herausfallen, obwohl sie ähnlich strafwürdig erscheinen mögen wie das pönalisierte Verhalten. Es ist dann Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, ob er die Strafbarkeitslücke bestehen lassen oder durch eine neue Regelung schließen will (BVerfGE 92, 1 <13>). Aus dem Erfordernis gesetzlicher Bestimmtheit folgt anerkanntermaßen ein Verbot analoger oder gewohnheitsrechtlicher Strafbegründung. Dabei ist „Analogie“ nicht im engeren technischen Sinn zu verstehen; ausgeschlossen ist vielmehr jede Rechtsanwendung, die – tatbestandsausweitend – über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht, wobei der mögliche Wortlaut als äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation aus der Sicht des Normadressaten zu bestimmen ist (stRspr, vgl. BVerfGE 71, 108 [BVerfG 23.10.1985 – 1 BvR 1053/82] <115>; 82, 236 <269>; 92, 1 <12>).
b)Dementsprechend darf die Auslegung der Begriffe, mit denen der Gesetzgeber das unter Strafe gestellte Verhalten bezeichnet hat, nicht dazu führen, dass die dadurch bewirkte Eingrenzung der Strafbarkeit im Ergebnis wieder aufgehoben wird. Einzelne Tatbestandsmerkmale dürfen also auch innerhalb ihres möglichen Wortsinns nicht so weit ausgelegt werden, dass sie vollständig in anderen Tatbestandsmerkmalen aufgehen, also zwangsläufig mit diesen mitverwirklicht werden (Verschleifung oder Entgrenzung von Tatbestandsmerkmalen; vgl. BVerfGE 87, 209 [BVerfG 20.10.1992 – 1 BvR 698/89] <229>; 92, 1 <16 f.>).
c)In Betracht kommt aber auch, dass bei methodengerechter Auslegung ein Verhalten nicht strafbewehrt ist, obwohl es vom Wortlaut des Strafgesetzes erfasst sein könnte. Auch in einem solchen Fall darf ein nach dem Willen des Gesetzgebers strafloses Verhalten nicht durch eine Entscheidung der Gerichte strafbar werden (vgl. BVerfGE 87, 209 [BVerfG 20.10.1992 – 1 BvR 698/89] <224> m.w.N.). Vielmehr haben die Gerichte dies zu respektieren und erforderlichenfalls durch restriktive Auslegung eines weiter gefassten Wortlauts der Norm sicherzustellen (vgl. BVerfGE 82, 236 [BVerfG 26.06.1990 – 1 BvR 776/84] <270 f.>; 87, 399 <411>), im Ergebnis also freizusprechen.
d)Art. 103 Abs. 2 GG enthält zudem Vorgaben für die Handhabung weit gefasster Tatbestände und Tatbestandselemente. Die Gerichte dürfen nicht durch eine fernliegende Interpretation oder ein Normverständnis, das keine klaren Konturen mehr erkennen lässt, dazu beitragen, bestehende Unsicherheiten über den Anwendungsbereich einer Norm zu erhöhen, und sich damit noch weiter vom Ziel des Art. 103 Abs. 2 GG entfernen (vgl. BVerfGE 71, 108 [BVerfG 23.10.1985 – 1 BvR 1053/82] <121>; 87, 209 <224 ff., 229>; 92, 1 <19>). Andererseits ist die Rechtsprechung gehalten, verbleibende Unklarheiten über den Anwendungsbereich einer Norm durch Präzisierung und Konkretisierung im Wege der Auslegung nach Möglichkeit auszuräumen (Präzisierungsgebot). Besondere Bedeutung hat diese Pflicht bei solchen Tatbeständen, die der Gesetzgeber im Rahmen des Zulässigen durch Verwendung von Generalklauseln verhältnismäßig weit und unscharf gefasst hat. Gerade in Fallkonstellationen, in denen der Normadressat nach dem gesetzlichen Tatbestand nur noch die Möglichkeit einer Bestrafung erkennen kann und in denen sich erst aufgrund einer gefestigten Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen lässt (vgl. BVerfGE 26, 41 [BVerfG 14.05.1969 – 2 BvR 238/68] <43>; 45, 363 <371 f.>), trifft die Rechtsprechung eine besondere Verpflichtung, an der Erkennbarkeit der Voraussetzungen der Strafbarkeit mitzuwirken. Sie kann sich auch in über die allgemeinen Grundsätze des Vertrauensschutzes (vgl. dazu BVerfGE 74, 129 [BVerfG 14.01.1987 – 1 BvR 1052/79] <155 f.>; 122, 248 <277 f.>) hinausgehenden Anforderungen an die Ausgestaltung von Rechtsprechungsänderungen niederschlagen.
e)Bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung, ob die Strafgerichte diesen aus Art. 103 Abs. 2 GG folgenden Vorgaben gerecht geworden sind, ist das Bundesverfassungsgericht nicht auf eine Vertretbarkeitskontrolle beschränkt. Der in Art. 103 Abs. 2 GG zum Ausdruck kommende strenge Gesetzesvorbehalt erhöht die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte. Sowohl die Überschreitung der Grenzen des Strafgesetzes als auch die Konturierung und Präzisierung ihres Inhalts betreffen die Entscheidung über die Strafbarkeit und damit die Abgrenzung von Judikative und Legislative. Für die Klärung der insoweit aufgeworfenen Fragen ist das Bundesverfassungsgericht zuständig.
Stützen die Gerichte insbesondere ihre Auslegung und Anwendung der Strafnorm auf ein gefestigtes Verständnis eines Tatbestandsmerkmals oder der Norm insgesamt, prüft das Bundesverfassungsgericht das Bestehen eines solchen gefestigten Verständnisses in vollem Umfang nach (vgl. BVerfGE 92, 1 <18>; 92, 1 <23 ff.> – abw. M.). Entsprechendes gilt, wenn die Strafbarkeit nach einer weit gefassten Norm mittels gefestigter komplexerer Obersätze eingegrenzt wird, wie sie etwa bei der Bildung von Fallgruppen und auf diese bezogene Spezifizierungen der Anforderungen der Strafrechtsnorm anzutreffen sind. Das Bundesverfassungsgericht prüft insoweit, ob die Gerichte bei Anwendung und Auslegung der Strafnorm bei den bislang entwickelten, die Norm konkretisierenden Obersätzen geblieben sind, gegebenenfalls ob sie diese im Rahmen der Strafnorm folgerichtig weiterentwickelt und ob sie sie der Würdigung des konkreten Falls zugrunde gelegt haben.
Dagegen wird ein – gegebenenfalls in höchstrichterlichen Obersätzen – gefestigtes Normverständnis einer inhaltlichen Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht nur in dem Sinne unterzogen, dass es nicht evident ungeeignet zur Konturierung der Norm sein darf (vgl. BVerfGE 26, 41 [BVerfG 14.05.1969 – 2 BvR 238/68] <43> mit – nur verstärkendem – Hinweis darauf, dass die gefestigte Auslegung „allgemein anerkannt“ sei). Insoweit werden – ebenso wie hinsichtlich der Anwendung der gegebenenfalls durch Obersätze konturierten und präzisierten Strafnorm – grundsätzlich keine Fragen des Verfassungsrechts aufgeworfen. Die verfassungsgerichtliche Kontrolle strafgerichtlicher Entscheidungen am Maßstab des Art. 103 Abs. 2 GG berührt nicht die Verantwortung der Gerichte, namentlich des Bundesgerichtshofs, für die Auslegung und Anwendung des Strafrechts.
II.Nach diesen Maßstäben ist der Untreuetatbestand in seiner geltenden Fassung mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG noch zu vereinbaren. § 266 Abs. 1 StGB lässt ein Rechtsgut ebenso klar erkennen wie die besonderen Gefahren, vor denen der Gesetzgeber dieses mit Hilfe des Tatbestands schützen will (1.). Vor diesem Hintergrund kann der Tatbestand trotz seiner Weite und damit einhergehenden relativen Unschärfe (2.) hinreichend restriktiv und präzisierend ausgelegt werden, um den unter dem Gesichtspunkt ausreichender Bestimmtheit bestehenden Bedenken angemessen Rechnung zu tragen (3.).
1.a) § 266 Abs. 1 StGB schützt das Vermögen im Sinne der Gesamtheit der geldwerten Güter einer Person (vgl. BGHSt 43, 293 <297>; BGH, Urteil vom 20. Juli 1999 – 1 StR 668/98 -, NJW 2000, S. 154 <155>; Fischer, Strafgesetzbuch, 57. Aufl. 2010, § 266 Rn. 2; Kühl, Strafgesetzbuch, 26. Aufl. 2007, § 266 Rn. 1; Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 27. Aufl. 2006, § 266 Rn. 1; Schünemann, in: Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, Bd. 7, 11. Aufl. 1998, § 266 Rn. 28). Damit ist das Rechtsgut klar bezeichnet. Wenn – vereinzelt – die Auffassung vertreten wird, dass auch das (individuelle oder kollektive) Vertrauen in die Redlichkeit des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs geschützt werde (vgl. etwa Dunkel, GA 1977, S. 329 <334 f.>), handelt es sich allenfalls um einen ergänzenden Aspekt, der insbesondere nichts daran ändert, dass „Nachteil“ im Sinne des Tatbestands nur ein „Vermögensnachteil“ sein kann (vgl. Fischer, a.a.O., § 266 Rn. 110; Kühl, a.a.O., § 266 Rn. 16).
b)Der Untreuetatbestand soll den Vermögensinhaber im Gegensatz zu anderen Vermögensdelikten vor Schädigungen „von innen heraus“ bewahren (Schünemann, NStZ 2005, S. 473 <474>); der Straftatbestand der Untreue wirkt der besonderen Verletzlichkeit des Vermögensinhabers, der seine wirtschaftlichen Interessen in fremde Hände legt und auf die Redlichkeit des Beauftragten angewiesen ist, entgegen (Perron, GA 2009, S. 219 <223>).
c)Das gesetzgeberische Anliegen ist angesichts des die moderne Wirtschaft prägenden Auseinanderfallens von Vermögensinhaberschaft und beauftragter Verfügungsmacht (Management) von hoher und zunehmender aktueller Bedeutung (vgl. Kindhäuser, in: Nomos-Kommentar Strafgesetzbuch, Bd. 2, 2. Aufl 2005, § 266 Rn. 3). Dementsprechend existieren Straftatbestände, die „ungetreue“ Handlungen von Gesellschaftsorganen und anderen Vermögensverwaltern erfassen, mit im Einzelnen unterschiedlicher Ausgestaltung in zahlreichen europäischen Rechtsordnungen (vgl. Cappel, Grenzen auf dem Weg zu einem europäischen Untreuestrafrecht, 2009, S. 187 ff.).
d)Auf diesem Hintergrund wie auch in Anbetracht der vor das Jahr 1933 zurückreichenden Geschichte des Tatbestands (vgl. dazu nur Mayer, Die Untreue im Zusammenhang der Vermögensverbrechen, 1926) können die der Untreuestrafbarkeit zugrunde liegenden Wertungen nicht als nationalsozialistisches Gedankengut angesehen werden. Der Umstand, dass der Begriff der Treue, wie in der der Stellungnahme des Generalbundesanwalts angesprochen (vgl. auch oben A.I.b)), im Nationalsozialismus missbraucht worden ist, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Die mehrfache Befassung des Deutschen Bundestages mit dem Untreuetatbestand seit 1949 zeigt, dass der demokratische Gesetzgeber sich die Norm in ihrer geltenden Fassung zu Eigen gemacht hat.
2. Das Regelungskonzept des Gesetzgebers hat – im Interesse eines wirksamen und umfassenden Vermögensschutzes – zu einer sehr weit gefassten und verhältnismäßig unscharfen Strafvorschrift geführt.
a) Der Gesetzgeber hat weitgehend darauf verzichtet, Sondertatbestände für einzelne Treuhandverhältnisse zu schaffen, wie sie sich beispielsweise früher in § 294 des Aktiengesetzes fanden oder heute in manchen ausländischen Rechtsordnungen bestehen (vgl. dazu Cappel, Grenzen auf dem Weg zu einem europäischen Untreuestrafrecht, 2009, S. 198 ff.). Die wichtigste Ausnahme stellen die Tatbestände des § 266a und des § 266b StGB als gesetzgeberische Reaktionen auf die gebotene restriktive Handhabung des Untreuetatbestands seitens der Rechtsprechung dar. Der Anwendungsbereich des Untreuetatbestands erstreckt sich in der heutigen Praxis daher auf so unterschiedliche Bereiche wie die Kreditgewährung durch Bankvorstände (BGHSt 46, 30; 47, 148), die Prämiengewährung durch Vorstände öffentlicher oder privater Unternehmen (siehe auch BGHSt 50, 331), die haushaltswidrige Verwendung öffentlicher Mittel (BGHSt 43, 293), Verstöße gegen parteienrechtliche Regelungen (BGHSt 51, 100) oder bestimmte Erscheinungsformen der Korruption (vgl. – neben der hier angegriffenen Entscheidung BGHSt 52, 323 – BGH, Urteil vom 27. Februar 1975 – 4 StR 571/74 -, NJW 1975, S. 1234; Urteil vom 9. Juli 2009 – 5 StR 263/08 -, NJW 2009, S. 3248). Die Strafbarkeit wegen Untreue tritt damit neben die Straftatbestände spezieller Regelwerke wie der des Kreditwesengesetzes (§§ 54 ff. KWG), des Aktiengesetzes (§ 399 ff. AktG) und des Parteiengesetzes (§ 31d PartG) oder stellt den einzigen strafrechtlichen Ansatzpunkt dar, wo Sonderregelungen fehlen wie im Falle des Haushaltsrechts (vgl. dazu Coenen, Die Strafbarkeit von Verstößen gegen das Haushaltsrecht bei der Bewirtschaftung öffentlicher Mittel, 2000) oder – bis zur Verabschiedung des Gesetzes zu dem Protokoll vom 27. September 1996 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vom 10. September 1998 (BGBl II S. 2340) und des Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 17. Dezember 1997 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr vom 10. September 1998 (BGBl II S. 2327) – bei manchen Erscheinungsformen der Bestechung mit Auslandsbezug (vgl. dazu Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 57 <60 ff.>).
b) Folge dieser Konzeption ist, dass der Untreuetatbestand in beiden Varianten sehr abstrakt formuliert und von großer Weite ist. Entsprechend hoch ist seine Auslegungsfähigkeit und -bedürftigkeit.
aa) Den Adressatenkreis des Treubruchtatbestands (§ 266 Abs. 1 Var. 2 StGB) kennzeichnet das Gesetz im Gegensatz zur Fassung des Untreuetatbestands von 1871 ausschließlich durch eine Definition von hohem Abstraktionsgrad: Entscheidend ist die Pflicht, fremde Vermögensinteressen „wahrzunehmen“ oder zu „betreuen“. Beide Ausdrücke weisen in ihrem Bezug auf fremde Vermögensinteressen auf ein – vermögensbezogenes – Handeln für jemand anderen oder in Rücksichtnahme auf jemand anderen hin. Aus dem Wortsinn wird danach – lediglich – deutlich, dass der Tatbestand eine Beziehung des Täters zum (potentiell) Geschädigten voraussetzt, die eine besondere, über die für jedermann geltenden Pflichten zur Wahrung der Rechtssphäre anderer hinausgehende Verantwortung für dessen materielle Güter mit sich bringt. Damit ergibt sich ein dem bloßen Wortlaut nach ausgesprochen weiter möglicher Anwendungsbereich. Wie bereits das Reichsgericht mit Urteil vom 14. Dezember 1934 (RGSt 69, 58 <60 f.>) ausgeführt hat,kannman hierunter
alle Aufgabenkreise und Tätigkeiten verstehen, die eine Einwirkung irgendwelcher Art (durch Handlung, Duldung, Unterlassung) auf das Vermögen oder auf Vermögensteile eines anderen zum Gegenstand haben, hierzu nötig oder dienlich sind … Aus dem Wortlaut des Gesetzes lässt sich gegen eine so weitgehende Auslegung nichts Zwingendes entnehmen. Er lässt sich selbst auf ganz untergeordnete Auftrags- und Dienstverhältnisse, ja sogar noch auf einen großen Teil der Botendienste anwenden.
Bei der vom Missbrauchstatbestand (§ 266 Abs. 1 Var. 1 StGB) vorausgesetzten Befugnis des Täters, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, handelt es sich zwar um im juristischen Sprachgebrauch exakt definierte (vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, 57. Aufl. 2010, § 266 Rn. 10 ff.; eingehend Schünemann, in: Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, Bd. 7, 11. Aufl. 1998, § 266 Rn. 37 ff., 46) und auch dem Verständnis durch Rechtsunkundige durchaus zugängliche Begriffe. Doch ist danach auch der Kreis möglicher Adressaten des Missbrauchstatbestands weit, umfasst er doch beispielsweise Scheck- und Kreditkarteninhaber im Verhältnis zur Bank oder zum Kreditkartenunternehmen.
bb) Das zentrale Merkmal der Verletzung einer Pflicht zur Wahrnehmung und Betreuung fremder Vermögensinteressen beziehungsweise des Missbrauchs rechtlicher Befugnisse ist nicht nur für sich genommen weit, sondern knüpft zusätzlich an außerstrafrechtliche Normkomplexe und Wertungen an, die das Verhältnis zwischen dem Vermögensinhaber und dem Vermögensverwalter im Einzelnen gestalten und so erst den Inhalt der – strafbewehrten – Pflicht und die Maßstäbe für deren Verletzung festlegen (zur Akzessorietät des Tatbestands vgl. Beulke, in: Festschrift für Ulrich Eisenberg, 2009, S. 245 <250>; Hohmann, ZIS 2007, S. 38 ff.; Rönnau, ZStW <2006>, S. 887 <905>). Die aus zivil- oder öffentlich-rechtlichen Normen folgende Pflichtwidrigkeit des Handelns ist als notwendige Voraussetzung der Untreuestrafbarkeit klar bezeichnet. Ihre Bestimmung im Einzelfall bringt jedoch nicht unerhebliche Unsicherheiten mit sich.
Das Pflichtwidrigkeitsmerkmal erschöpft sich nicht nach Art eines Blankettmerkmals in der Weiterverweisung auf genau bezeichnete Vorschriften (vgl. Kubiciel, NStZ 2005, S. 353 <357 ff.>; Rönnau, a.a.O., S. 887 <904>; zur verfassungsrechtlichen Problematik von Blanketttatbeständen vgl. nur BVerfGE 75, 329 [BVerfG 06.05.1987 – 2 BvL 11/85]); es handelt sich vielmehr um ein komplexes normatives Tatbestandsmerkmal (vgl. BVerfGE 78, 205 [BVerfG 18.05.1988 – 2 BvR 579/84] <213>; Kubiciel, a.a.O., Rönnau, a.a.O., S. 887 <904>). Zunächst stellt sich dem Normanwender die Frage, welche außerstrafrechtlichen Bestimmungen zur Beurteilung der Pflichtwidrigkeit heranzuziehen sind. Sodann stellt sich die Frage nach der Auslegung der relevanten Normen, unter denen sich Vorschriften von erheblicher Unbestimmtheit oder generalklauselartigen Charakters befinden können, da sich dem Normtext des § 266 Abs. 1 StGB Anforderungen an die Bestimmtheit der in Bezug genommenen Normen nicht entnehmen lassen; verwiesen sei insofern nur beispielhaft auf die im Fall der Beschwerdeführer zu III. 1) bis 5) teilweise einschlägigen Bestimmungen der §§ 76, 93, 111, 116 AktG (vgl. dazu BGHSt 47, 187 <192>; 50, 331 <336>; Kindhäuser, a.a.O., § 266 Rn. 58). Die resultierenden Auslegungsschwierigkeiten erhöhen sich, wenn dem Verpflichteten – wie im Fall der zitierten Normen des Aktiengesetzes – eigene Entscheidungsspielräume mit abstrakt schwer zu bestimmenden Grenzen eingeräumt werden (vgl. § 93 Abs. 1 Satz 1 und 2 AktG; dazu BGHSt 47, 187 <193 ff.>; vgl. auch BGHZ 135, 244; Hüffer, Aktiengesetz, 9. Aufl. 2010, § 93 Rn. 1, 4 a).
cc) Der Untreuetatbestand setzt weiter den Eintritt eines Nachteils voraus. Der Begriff des Nachteils für das betroffene Vermögen hat zwar einen allgemein verständlichen Bedeutungsgehalt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 10. März 2009 – 2 BvR 1980/07 -, […], Rn. 24), bereitet aber gerade im Kontext des § 266 Abs. 1 StGB spezifische Auslegungsschwierigkeiten.
(1) Dem umgangssprachlichen Wortsinn nach ist „Nachteil“ ein „Schaden, Verlust, ungünstige Lage“ (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl. 2008, S. 1047); „etwas, was sich für jemanden gegenüber einem anderen negativ auswirkt, ihn beeinträchtigt, ihm schadet“ (Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 5. Aufl. 2003, S. 1120); oder „ein als Minderung, Verschlechterung erscheinendes Übel, überhaupt Schaden, Verlust, Abbruch, Beeinträchtigung“ (vgl. Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 7, Nachdruck 1984, Sp. 184 f.). Ein Vermögensnachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB setzt mithin zwingend einen Vergleich zweier Vermögenslagen voraus, bei dem sich eine Differenz ergeben muss (vgl. Riemann, Vermögensgefährdung und Vermögensschaden, 1989, S. 6).
Konturen verleiht das Nachteilsmerkmal dem § 266 Abs. 1 StGB vor allem dadurch, dass das Gesetz ausnahmslos den tatsächlichen Eintritt des Nachteils fordert, da der Gesetzgeber den Versuch der Untreue nicht unter Strafe gestellt hat. Die Untreue stellt also ein reines Verletzungserfolgsdelikt oder Bestandsschutzdelikt dar, das ein Erfolgsunrecht voraussetzt (vgl. Perron, in: Festschrift für Klaus Tiedemann, 2008, S. 737 <740>; Rönnau, StV 2009, S. 246). Bleibt der Eintritt eines Schadens ungewiss, wenn auch möglich, so ist folglich nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ freizusprechen.
(2) Gleichwohl wirft das Nachteilsmerkmal Auslegungsfragen von erheblicher Bedeutung auf.
Zum einen geht aus dem Wortlaut nicht eindeutig hervor, ob das Gesetz mit dem durch pflichtwidriges oder missbräuchliches Handeln zugefügten Nachteil die Differenz meint, die sich bei einem Vergleich der Vermögenslage vor und nach der beanstandeten Handlung ergibt, oder die Differenz zwischen den sich in den Fällen pflichtgemäßen oder pflichtwidrigen Verhaltens ergebenden Vermögenssalden. Unterschiedliche Ergebnisse können sich dabei vor allem dann ergeben, wenn dem Betroffenen – wie dem Beschwerdeführer zu I. – mit der Nichtoffenbarung von dem Treugeber verborgenen Vermögen beziehungsweise der unterbliebenen Rückführung von „verloren geglaubtem“ Vermögen eine pflichtwidrige Unterlassung vorgeworfen wird. In diesen Fällen hängt die Strafbarkeit von der Art des Vermögensvergleichs und damit davon ab, wie man die Wendung „und dadurch … Nachteil zufügt“ versteht.
Konkretisierungsbedarf kann sich auch aus der Tatsache ergeben, dass es sich beim Vermögen als Rechtsgut und Bezugspunkt des anzustellenden Vergleichs nicht um einen der sinnlichen Wahrnehmung unmittelbar zugänglichen Gegenstand handelt, sondern um eine wirtschaftliche Größe, deren Umfang zu einem bestimmten Zeitpunkt sich erst aus einer Bewertung ergibt. In deren Rahmen bedarf es der Entscheidung, welche Vermögenspositionen in die Wertbestimmung einfließen und wie deren Wert zu ermitteln ist. Hierbei können normative Erwägungen eine Rolle spielen, die unter Umständen die Eigenständigkeit des Nachteilsmerkmals gegenüber dem Pflichtwidrigkeitsmerkmal in Frage stellen und eine Konturierung des Nachteilsbegriffs zusätzlich erschweren. Das zeigt sich beispielsweise bei den Fragen, in welchem Umfang vom Treupflichtigen verursachte Wertzuwächse eingetretene Verluste kompensieren können (vgl. etwa BGH, Urteil vom 6. Mai 1986 – 4 StR 124/86 -, NStZ 1986, S. 455 <456>; Kühl, a.a.O., § 266 Rn. 17b) und unter welchen Umständen Ausgleichsansprüche gegen den Täter ausnahmsweise schadensmindernd zu berücksichtigen sind (vgl. BGHSt 15, 342 <343 f.>; Dierlamm, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Bd. 4, 2006, § 266 Rn. 184 m.w.N.; Fischer, a.a.O., § 266 Rn. 168; Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, 1997, S. 126 ff.). Ferner ist zu bedenken, dass es sich bei der Entstehung von Vermögensnachteilen oder -schäden im Allgemeinen um einen dynamischen Prozess handelt (vgl. Fischer, NStZ-Sonderheft 2009, S. 8 <12>), dessen Beurteilung stark davon abhängen kann, welcher Zeitpunkt der Untersuchung zugrunde gelegt wird.
(3) Schließlich beschränkt das Nachteilserfordernis die Strafbarkeit wegen Untreue zwar auf Fälle, in denen ein bestimmter Handlungserfolg in Form einer messbaren Vermögenseinbuße vorliegt, trifft damit aber keine von der Frage nach der Pflichtwidrigkeit zu lösende eigenständige Aussage über die Strafwürdigkeit. Denn gerade „klassische“ Vermögensbetreuungsverhältnisse wie das zwischen der Bank und ihrem Vorstand können sich durch erhebliche Handlungsspielräume des Treupflichtigen auszeichnen, zu denen das Eingehen von Verlustrisiken ganz selbstverständlich gehört. Kommt es etwa durch Ausfall eines Kredits zu einem Vermögensschaden, so rechtfertigt dies für sich genommen noch nicht den Schluss auf ein unerlaubtes und strafwürdiges Handeln des für die Kreditvergabe verantwortlichen Vorstands (vgl. BGHSt 46, 30 <34>; Albrecht, in: Festschrift für Rainer Hamm, 2008, S. 1 <3>).
c) Über die genannten Merkmale hinaus enthält der Untreuetatbestand keine weiteren beschränkenden Voraussetzungen. Er stellt auch im subjektiven Bereich keine hohen Anforderungen: Hinsichtlich sämtlicher objektiver Tatbestandsmerkmale muss lediglich bedingter Vorsatz vorliegen. Der Tatbestand setzt weder eine Schädigungsabsicht voraus, die der Tatbestand in seiner Fassung von 1871 dem Wortlaut nach noch verlangte (vgl. Perron, in: Jahresband der Juristischen Studiengesellschaft 2008, S. 45 <61>; allerdings legte das Reichsgericht den Ausdruck „absichtlich“ in diesem Fall als gleichbedeutend mit „vorsätzlich“ aus: Es genüge das Bewusstsein, dass die betreffende Handlung dem geschützten Vermögen nachteilig sei; vgl. RG, Urteil vom 10. Juli 1888, GA 36 <1888>, S. 400 <401>), noch erfordert er – wie beispielsweise der Betrugstatbestand – eine (selbst- oder drittbezogene) Bereicherungsabsicht des Täters (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 10. März 2009 – 2 BvR 1980/07 -, […], Rn. 35; BGHSt 51, 100 <121>).
3. Der Untreuetatbestand lässt eine konkretisierende Auslegung zu, die die Rechtsprechung in langjähriger Praxis umgesetzt und die sich in ihrer tatbestandsbegrenzenden Funktion als tragfähig erwiesen hat.
a) Hinsichtlich des Adressatenkreises der Norm ist schon das Reichsgericht davon ausgegangen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers der Bereich der strafbaren Untreue nicht „ins Ungemessene erweitert“ werden sollte. Dem Gesetz könne und müsse hinsichtlich des Treubruchtatbestands entnommen werden (vgl. RGSt 69, 58 <61 f.>), dass
an Pflichten oder Pflichtenkreise gedacht ist, die sich ihrer Dauer nach über eine gewisse Zeit oder ihrem Umfang nach über bloße Einzelfälle hinaus erstrecken, so dass der Verpflichtete für ihre Erfüllung einen gewissen Spielraum, eine gewisse Bewegungsfreiheit oder Selbständigkeit hat, mag auch ein solcher Pflichtenkreis an Bedeutung und Umfang hinter dem eines Vormundes, eines Testamentsvollstreckers oder anderer Vermögensverwalter im eigentlichen Sinne mehr oder weniger zurückbleiben und sich mehr einer einzelnen Geschäftsbesorgung im Sinne des bürgerlichen Rechtes nähern.
Dementsprechend ist in Rechtsprechung und Lehre heute anerkannt, dass allein der Bezug einer Verpflichtung zu fremden Vermögensinteressen sie noch nicht zur Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 Var. 2 StGB macht. Die Pflicht, einen Vertrag zu erfüllen, genügt danach als solche ebenso wenig wie die allgemeine vertragliche Nebenpflicht (vgl. § 241 Abs. 2, § 242, § 311 Abs. 2 BGB), auf die (Vermögens-) Interessen des Partners Rücksicht zu nehmen; der bloße Vertragsbruch soll nicht unter Strafe stehen. Vielmehr wird verlangt, dass den Täter eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen trifft (vgl. BGHSt 1, 186 <188 f.>; Fischer, Strafgesetzbuch, 57. Aufl. 2010, § 266 Rn. 35; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil, Teilbd. 1, 9. Aufl. 2003, S. 584). Die Rechtsprechung entscheidet im Wege einer Gesamtbetrachtung, ob es sich bei den einer Person übertragenen Aufgaben um Angelegenheiten handelt, denen die Bedeutung der Wahrnehmung von Vermögensinteressen zukommt. Von maßgeblicher Bedeutung ist dabei in erster Linie, ob die fremdnützige Vermögensfürsorge den Hauptgegenstand der Rechtsbeziehung bildet und ob dem Verpflichteten bei deren Wahrnehmung ein gewisser Spielraum, eine gewisse Bewegungsfreiheit oder Selbständigkeit, mit anderen Worten die Möglichkeit zur verantwortlichen Entscheidung innerhalb eines gewissen Ermessensspielraums verbleibt (vgl. BGHSt 1, 186 <188 f.>; 3, 289 <294>; 4, 170 <172>; 13, 315 <317>; weitere Nachweise bei Dierlamm, a.a.O., § 266 Rn. 44; Fischer, a.a.O., § 266 Rn. 29). Eine solcherart qualifizierte Stellung ist nach der Rechtsprechung Voraussetzung nicht nur des Treubruch-, sondern auch des Missbrauchstatbestands, so dass insbesondere die abredewidrige Nutzung von Scheck- und Kreditkarten aus dem Anwendungsbereich des Untreuetatbestands herausfällt (vgl. BGHSt 24, 386; 33, 244).
Die gefestigte Rechtsprechung in diesem Bereich ist geeignet, den Anwendungsbereich des Untreuetatbestands im Sinne der dahinterstehenden Schutzkonzeption zu begrenzen. Auf ihrer Grundlage steht zudem für einen großen Teil von Lebenssituationen von vornherein fest, dass eine Strafbarkeit nach dem Untreuetatbestand nicht in Betracht kommt. Dies gilt etwa für alle Vertragspartner in gewöhnlichen Austauschverträgen wie Kauf- oder Werkverträgen oder für Arbeitnehmer, deren Tätigkeitsbereich keine spezifischen Bezüge zum Vermögen ihres Arbeitgebers aufweist (vgl. Fischer, a.a.O., § 266 Rn. 49 Stichwort „Arbeitnehmer“). Auf der anderen Seite ist ein Kernbereich auszumachen, innerhalb dessen keine ernstlichen Zweifel bestehen, dass eine Vermögensbetreuungspflicht besteht und dass mithin auch eine Strafbarkeit nach dem Treubruchtatbestand möglich ist; das gilt insbesondere für die Vorstände von privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften hinsichtlich des Vermögens der von ihnen vertretenen Institutionen (vgl. nur Fischer, a.a.O., § 266 Rn. 36 Stichworte „Bankvorstand“, „Behördenleiter“, „Vereinsvorstand“, „Vorstandsmitglieder“; Kiethe, WM 2003, S. 861 <867>).
b) Auch das Merkmal der Pflichtwidrigkeit hat die höchstrichterliche Rechtsprechung in fallgruppenspezifischen Obersätzen hinreichend in einer Weise konkretisiert, die die Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit im Regelfall sichert. Voraussehbarkeit der Strafdrohung und Kohärenz der Rechtsordnung stehen in engem Zusammenhang. Die Ziele dementsprechender Auslegung müssen von Verfassungs wegen darin bestehen, die Anwendung des Untreuetatbestands auf Fälle klarer und deutlicher (evidenter) Fälle pflichtwidrigen Handelns zu beschränken, Wertungswidersprüche zur Ausgestaltung spezifischer Sanktionsregelungen zu vermeiden und den Charakter des Untreuetatbestands als eines Vermögensdelikts zu bewahren. Die (Fort-)Entwicklung geeigneter dogmatischer Mittel zu diesem Ziel obliegt in erster Linie den Strafgerichten und hier vornehmlich den Revisionsgerichten. Diese müssen im Interesse der Berechenbarkeit und Voraussehbarkeit der Rechtsanwendung in wichtigen Anwendungsbereichen des Untreuetatbestands diesen durch fallgruppenspezifische Obersatzbildung unter Berücksichtigung der genannten Kriterien handhabbar machen.
Für eine fallgruppenspezifische Obersatzbildung finden sich in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verschiedene Beispiele (vgl. etwa BGHSt 47, 187 zum Sponsoring; BGHSt 46, 30 und 47, 148 zur Kreditvergabe, näher dazu unten III. 3. a); BGHSt 50, 331 zur Prämiengewährung durch Aktiengesellschaften). Tatbestandsbegrenzende Funktion hat auch die jüngere Rechtsprechung, die eine Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB nur dann bejaht, wenn sie gravierend ist (vgl. BGHSt 47, 148 <152 f.>; 47, 187 <197>; siehe aber auch BGHSt 50, 331 <343 ff.>; BGH, Urteil vom 22. November 2005 – 1 StR 571/04 -, NJW 2006, S. 453 <454 f.>; aus dem Schrifttum vgl. zustimmend Kutzner, NJW 2006, S. 3541 <3543>; ablehnend Beckemper, NStZ 2002, S. 324 <326>; Sauer, wistra 2002, S. 465 f.). Der gegen die Rechtsprechung erhobene Einwand, dass sich dem Wortlaut des Tatbestands das Erfordernis einer gravierenden Pflichtverletzung nicht entnehmen lasse (Schünemann, NStZ 2005, S. 473 <475>), überzeugt angesichts der dargelegten Notwendigkeit einer Beschränkung (Restriktion) des sehr weiten Wortlauts nicht. Der Einwand der Beschwerdeführer zu III. 1) bis 5), hier würden nur weitere Wertungsspielräume eröffnet, deren Folgen im Einzelfall unvorhersehbar seien, verkennt, dass sich gravierende Pflichtverletzungen nur dann werden bejahen lassen, wenn die Pflichtverletzung evident ist.
c) Im Falle des Nachteilsmerkmals muss die Auslegung den gesetzgeberischen Willen beachten, dieses Merkmal als selbständiges neben dem der Pflichtverletzung zu statuieren; sie darf daher dieses Tatbestandsmerkmal nicht mit dem Pflichtwidrigkeitsmerkmal verschleifen, das heißt, es in diesem Merkmal aufgehen lassen (zu dieser Gefahr vgl. Saliger, ZStW 112 <2000>, S. 563 <610>; ders., HRRS 2006, S. 10 <14>). Deswegen und um das Vollendungserfordernis zu wahren, sind eigenständige Feststellungen zum Vorliegen eines Nachteils geboten. Von einfach gelagerten und eindeutigen Fällen – etwa bei einem ohne weiteres greifbaren Mindestschaden – abgesehen, werden die Strafgerichte den von ihnen angenommenen Nachteil der Höhe nach beziffern und dessen Ermittlung in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise in den Urteilsgründen darlegen müssen.
Eine gebotene konkrete Ermittlung des Nachteils darf insbesondere nicht aus der Erwägung heraus unterbleiben, dass sie mit praktischen Schwierigkeiten verbunden ist. Wenn und soweit in der wirtschaftlichen Praxis geeignete Methoden zur Bewertung von Vermögenspositionen entwickelt worden sind, müssen die Gerichte diese – gegebenenfalls über die Hinzuziehung eines Sachverständigen – auch ihrer Beurteilung zugrunde legen. Dabei geht es darum, die Schadensfeststellung auf eine sichere Grundlage zu stellen, sie rational nachvollziehbar zu machen und sich zu vergewissern, ob im Einzelfall eine hinreichend sichere Grundlage für die Feststellung eines Vermögensnachteils überhaupt existiert oder ob man sich in einem Bereich bewegt, in dem von einem zahlenmäßig fassbaren Schaden noch nicht die Rede sein kann. Soweit Unsicherheiten verbleiben, ist unter Beachtung des Zweifelssatzes der (Mindest-)Schaden im Wege der Schätzung zu ermitteln (vgl. BGHSt 30, 388 <390>; BGH, Beschluss vom 20. März 2008 – 1 StR 488/07 -, NJW 2008, S. 2451 <2452>; Beschluss vom 18. Februar 2009 – 1 StR 731/08 -, NStZ 2009, S. 330 <331>; Beschluss vom 20. Oktober 2009 – 3 StR 410/09 -, […], Rn. 7).
Normative Gesichtspunkte können bei der Feststellung eines Nachteils durchaus eine Rolle spielen. Sie dürfen aber, soll der Charakter der Untreue als Vermögensdelikt und Erfolgsdelikt bewahrt bleiben, wirtschaftliche Überlegungen nicht verdrängen. So kann beispielsweise die Verwendung des anvertrauten Vermögens zu verbotenen Zwecken nicht per se als nachteilsbegründend angesehen werden; vielmehr bleibt es auch in solchen Fällen erforderlich, zu prüfen, ob das verbotene Geschäft – wirtschaftlich betrachtet – nachteilhaft war.
III. Den danach zu stellenden Anforderungen an die Auslegung des § 266 Abs. 1 StGB genügen die gegen die Beschwerdeführer zu I. und II. ergangenen Entscheidungen, nicht jedoch das gegen die Beschwerdeführer zu III. 1) bis 5) ergangene Urteil des Landgerichts Berlin vom 21. März 2007 sowie der die hiergegen gerichtete Revision verwerfende Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 4. Februar 2009.
1. Im Fall des Beschwerdeführers zu I. hat der Bundesgerichtshof die Verursachung eines tatbestandsmäßigen Nachteils in Höhe der vom Beschwerdeführer übernommenen, auf schwarzen Kassen im Ausland lagernden Gelder darin gesehen, dass der Beschwerdeführer diese Gelder, die für den Konzern aus Sicht des Bundesgerichtshofs wirtschaftlich bereits verloren waren, nicht an den Konzern herausgegeben, sondern auf Dauer weiter verborgen hat, nachdem er den Zugriff hierauf erhalten hatte. Diese Sichtweise begegnet weder dem Grunde (a) noch der Höhe nach (b) von Verfassungs wegen Bedenken.
a) Es ist sowohl mit dem Wortlaut des § 266 Abs. 1 StGB als auch mit dem Gebot restriktiver und präzisierender Auslegung des Tatbestands zu vereinbaren, dass der Bundesgerichtshof im Verhalten des Beschwerdeführers dem Grunde nach die Zufügung eines eigenständigen Nachteils erkannt hat. Dies entspricht der verfassungsrechtlich unbedenklichen ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Schadensberechnung bei der Vereitelung von Gewinnaussichten.
aa) (1) Grundsätzlich soll der Vermögensnachteil als Taterfolg der Untreue nach heutiger Rechtsprechung und herrschender Lehre durch einen Vergleich des gesamten Vermögens vor und nach der beanstandeten Verfügung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten geprüft werden (vgl. BGHSt 47, 295 <301 f.>; BGH, Beschluss vom 17. August 2006 – 4 StR 117/06 -, NStZ-RR 2006, S. 378 <379>, jeweils m.w.N.; Dierlamm, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Bd. 4, 2006, § 266 Rn. 178; Fischer, Strafgesetzbuch, 57. Aufl. 2010, § 266 Rn. 115; Kühl, Strafgesetzbuch, 26. Aufl. 2007, § 266 Rn. 17; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil, Teilbd. 1, 9. Aufl. 2003, S. 587). Das Reichsgericht hatte demgegenüber teilweise die Formulierung verwendet, der Nachteil sei festzustellen „durch Vergleich des Vermögens, das der Geschädigte ohne den Befugnismissbrauch oder ohne die Pflichtverletzung des Tätershätte, mit dem Vermögen, dass er infolge einer dieser Handlungen oder Unterlassungen hat“ (vgl. RGSt 73, 283 <285>; Hervorhebung hinzugefügt).
Die Rechtsprechung hat stets einen Nachteil auch in Fällen angenommen, in denen das Handeln des Täters dazu führt, dass sich konkrete, gesicherte Aussichten auf Vermögensmehrung – das Schrifttum spricht von „Anwartschaften“ oder „Exspektanzen“ – nicht realisieren (vgl. Schünemann, a.a.O., § 266 Rn. 135; Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, 1994, S. 25 ff.). So hat schon das Reichsgericht beispielsweise den aus dem Unterlassen einer verzinslichen Anlage von Geldern resultierenden Zinsausfallschaden als tatbestandsrelevanten Nachteil anerkannt (vgl. RG, Urteil vom 10. Juli 1888, GA 36 <1888>, S. 400); der Bundesgerichtshof bejaht in ständiger Rechtsprechung die Erfüllung des Untreuetatbestands, wenn der Täter die Möglichkeit eines besonders vorteilhaften Vertragsschlusses des Vermögensinhabers mit einem Dritten dadurch vereitelt, dass er sich von dem Dritten für den Fall des Vertragsschlusses eine Zuwendung versprechen lässt, die der Dritte aus dem vom Vermögensinhaber zu leistenden – entsprechend erhöhten – Entgelt bestreitet (sog. Kick-back-Zahlung, vgl. etwa BGHSt 31, 232; 50, 299 <314 f.>; BGH, Beschluss vom 20. Januar 1984 – 3 StR 520/83 -, wistra 1984, S. 109; Urteil vom 8. Mai 2003 – 4 StR 550/02 -, NStZ 2003, S. 540 <541>; Urteil vom 9. Juli 2009 – 5 StR 263/08 -, NJW 2009, S. 3248).
Im Schrifttum wird diese Rechtsprechung überwiegend so gedeutet, dass sie lediglich dem bereits gegenwärtigen Vermögenswert gesicherter Gewinnaussichten Rechnung trage und daher nicht mit einer Abweichung von dem bei der Nachteilsfeststellung zugrunde zu legenden „Vorher-nachher-Vergleich“ verbunden sei (vgl. etwa Schünemann, in: Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, Bd. 7, 11. Aufl. 1998, § 266 Rn. 135; Dierlamm, a.a.O., § 266 Rn. 185; Literaturüberblick bei Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, 1994, S. 33 ff.). Diese Betrachtung wahrt den Gleichklang mit der Schadensberechnung beim Betrug, wo nach herrschender Ansicht ein Schaden ebenfalls nur in einer Minderung des vor der täuschungsbedingten Verfügung vorhandenen Vermögens bestehen kann (vgl. nur Fischer, a.a.O., § 263 Rn. 88 ff.). Andere Autoren betonen demgegenüber den Unterschied zum Betrugstatbestand, der darin liege, dass die Vermögensbetreuungspflicht des § 266 Abs. 1 StGB auch die Mehrung des geschützten Vermögens beinhalten könne; soweit das der Fall sei, stellten auch entgangene Gewinne entsprechend § 252 BGB einen Schaden dar. In diesen Fällen sei als untreuerelevante Vermögensminderung abweichend von der „Vorher-nachher-Betrachtung“ die Nichterfüllung des gegen den Täter bestehenden Anspruchs zu sehen (vgl. Kindhäuser, in Nomos-Kommentar Strafgesetzbuch, Bd. 2, 2. Aufl., 2005, § 266 Rn. 97, 101; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, 9. Aufl. 2007, S. 308).
(2) Verfassungsrechtlich ist zunächst festzuhalten, dass sich beide genannten dogmatischen Ansätze mit dem Wortlaut des § 266 Abs. 1 StGB vereinbaren lassen; dieser schließt es für sich genommen nicht aus, die nachteilsbegründende Differenz durch Vergleich des nach dem pflichtwidrigen Verhalten bestehenden Istzustands nicht mit dem status quo ante, sondern mit dem im Falle pflichtgemäßen Handelns bestehenden Sollzustand festzustellen.
Auch das Gebot einer restriktiven und präzisierenden Auslegung des Untreuetatbestands steht weder den von der Rechtsprechung erzielten Ergebnissen noch den hierfür gegebenen Begründungsansätzen entgegen. Die Annahme, dass auch Chancen und Gewinnaussichten Vermögensrelevanz und -wert haben, entspricht alltäglichen wirtschaftlichen Erfahrungen, die sich etwa bei den Auswirkungen positiver Gewinnprognosen auf Aktienkurse zeigen; ihr korrespondiert die negative Berücksichtigung erwarteter Verluste bei der Figur des Gefährdungsschadens (dazu siehe unten 3. b) aa)). Wenn demgegenüber die Berücksichtigung erwarteter Vermögenszuwächse in der Rechnungslegung bilanzrechtlich unzulässig ist, ist dies eine Konsequenz des das Handelsbilanzrecht beherrschenden Vorsichtsprinzips, welches im Interesse des Verkehrsschutzes eine Unter- einer möglichen Überbewertung vorzieht (vgl. Großfeld, Bilanzrecht, 3. Aufl. 1998, Rn. 166 ff., 172; siehe auch Baumbach/Hopt/Merkt, Handelsgesetzbuch, 33. Aufl. 2008, § 252 Rn. 10 ff., 13 ff.) und insofern von einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise gerade abweicht. Unter diesen Umständen ist es eine – für die verfassungsrechtliche Beurteilung nicht entscheidende – Frage der dogmatischen Konstruktion und Formulierung, ob man in der hier angesprochenen Fallgruppe von einer Zerstörung bereits vorhandener Anwartschaften mit Vermögenswert spricht oder den Blick eher auf die Differenz zwischen dem am Ende des pflichtwidrigen Verhaltens stehenden Istzustand und dem Sollzustand lenkt, der bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre. Wird die letztere Perspektive gewählt, ist allerdings verstärkt darauf zu achten, dass der eigenständige strafbarkeitseinschränkende Charakter des Nachteilsmerkmals gewahrt bleibt.
bb) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer konnte der Bundesgerichtshof den Eintritt eines Nachteils im vorliegenden Fall unter Anwendung dieser Grundsätze feststellen, ohne dass dem verfassungsrechtliche Bedenken entgegenstünden. Entscheidend für die Bejahung des Nachteils war für den 2. Strafsenat ersichtlich (vgl. BGHSt 52, 323 <336 f.>) die Endgültigkeit und Dauerhaftigkeit, mit der sich der Beschwerdeführer für die Aufrechterhaltung der schwarzen Kassen und gegen deren Offenlegung und Rückführung entschieden hatte. Hierin lässt sich das Element der Vereitelung sehen, das der Generalbundesanwalt betont hat und welches der Beschwerdeführer vermisst. Alternativ lässt sich auf einen Vergleich der resultierenden Vermögenslage der S… AG mit der im Falle pflichtgemäßer Offenlegung und Rückführung bestehenden Lage abstellen. Die Annahme eines Nachteils war in der vorliegenden Konstellation auch nicht unvorhersehbar. Die Figur eines Vermögensnachteils durch nachhaltige Beibehaltung eines Systems schwarzer Kassen war in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vielmehr deutlich angelegt (vgl. BGHSt 51, 100 <Rn. 41 ff.>).
b) Der Bundesgerichtshof hat den Schaden der Höhe nach wirtschaftlich nachvollziehbar und somit verfassungsrechtlich unbedenklich auf die volle Summe der vom Beschwerdeführer übernommenen und auf den schwarzen Kassen belassenen Gelder beziffert, konkret also auf (mindestens) die später in den Fällen L… und R… entnommenen Schmiergeldzahlungen von 2,65 Mio. EUR, 2,987 Mio. EUR und 483.990 US-$.
Soweit dem die Prämisse zugrunde liegt, dass die in den schwarzen Kassen vorhandenen Gelder vor deren Übernahme durch den Beschwerdeführer für die S… AG wirtschaftlich keinen Wert mehr darstellten, verkennen die hiergegen angeführten Argumente des Beschwerdeführers die Besonderheiten des Einzelfalls. Die Konten, auf denen sich die Gelder befanden, lauteten – wie der Bundesgerichtshof (BGHSt 52, 323, <325 f., 333 f.>) betont hat – nicht auf die S… AG, sondern auf die Namen verschiedener anderer Unternehmen und liechtensteinischer Stiftungen, so dass die S… AG rechtlich keinen Anspruch auf Auszahlung gegen die beteiligten Banken hatte, sondern allenfalls gegen die an der Einrichtung der schwarzen Kassen beteiligten Mitarbeiter hätte vorgehen können. Ersatzansprüche gegen die Täter selbst sind jedoch nach völlig herrschender Auffassung bei der Nachteilsfeststellung grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (vgl. Dierlamm, a.a.O., § 266 Rn. 184 m.w.N.; Fischer, a.a.O., § 266 Rn. 168; Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, 1997, S. 126 ff.). Diese Ausnahme von der grundsätzlich gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, weil sie ersichtlich der Regelungskonzeption des § 266 Abs. 1 StGB und dem Willen des Gesetzgebers entspricht; es wäre widersprüchlich, wegen des Bestehens eines Schadensersatzanspruchs einen Schaden zu verneinen (vgl. Ransiek, ZStW <2004>, S. 634 <663 f.>). Es war auch nicht verfassungsrechtlich geboten, den vorliegenden Fall solchen Konstellationen gleichzustellen, in denen die Rechtsprechung einen tatbestandsmäßigen Nachteil verneint hat, weil der Täter jederzeit bereit und fähig war, den Fehlbetrag aus eigenen flüssigen Mitteln vollständig auszugleichen (vgl. nur BGHSt 15, 342 <343 f.>; BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2003 – 3 StR 276/03 -, NStZ-RR 2004, S. 54).
2. Auch im Fall des Beschwerdeführers zu II. haben Landgericht und Bundesgerichtshof den Untreuetatbestand in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise angewendet; insbesondere ist die Auslegung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht zu beanstanden. Sie hält sich innerhalb des Wortlauts der Norm und genügt auch den Anforderungen an dessen restriktive Auslegung. Damit scheidet zugleich eine Verletzung des allgemeinen Willkürverbots nach Art. 3 Abs. 1 GG aus.
Die Einhaltung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nach § 4 Abs. 4 SGB V gehörte zu den vermögensrelevanten Pflichten des Beschwerdeführers im Verhältnis zu der von ihm vertretenen Krankenkasse. Das Landgericht Kassel hat das Eingrenzungsgebot gewahrt, indem es die Untreuestrafbarkeit ersichtlich auf evidente und schwerwiegende Verstöße gegen diesen Grundsatz jenseits der bestehenden Entscheidungsspielräume des Beschwerdeführers (vgl. BSGE 55, 277 [BSG 26.08.1983 – 8 RK 29/82] <279>; BSG, Urteil vom 29. Februar 1984 – 8 RK 27/82 -, […], Rn. 20 ff.; Hoyningen-Huene, BB 1991, S. 1345 <1347 ff.>) beschränkt hat. So führt das Urteil aus, dass „von Relevanz im Bereich des Untreuetatbestandes nur deutliche Verstöße sein können, die … ohne Weiteres erkennbar sind“, da der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit „in § 4 Abs. 4 SGB V normiert, aber nicht weiter konkretisiert“ werde. Eine darüber hinaus gehende Auseinandersetzung mit der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichthofs zum Erfordernis eines gravierenden Charakters der Pflichtverletzung war nicht geboten. Angesichts der die Handlungsspielräume des Beschwerdeführers begrenzenden Grundsatzkompetenz des Verwaltungsrats und der Umstände des Einzelfalls musste die Kammer auch ihre Auffassung, dass ein hinreichend qualifizierter Verstoß tatsächlich vorliege, nicht in stärkerem Umfang begründen als tatsächlich geschehen.
3. Das gegen die Beschwerdeführer zu III. 1) bis 5) ergangene Urteil des Landgerichts Berlin vom 21. März 2007 ist im Hinblick auf das Nachteilsmerkmal mit den dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Auslegung des § 266 Abs. 1 StGB nicht zu vereinbaren; entgegen der Auffassung des Bundesgerichtshofs lässt sich auch nicht ausschließen, dass die Verurteilung der Beschwerdeführer auf dem Verstoß beruht.
a) Keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen das Urteil des Landgerichts und der Beschluss des Bundesgerichtshofs allerdings, soweit sie zu dem Ergebnis kommen, dass die Beschwerdeführer mit der (zivilrechtlich wirksamen) Bewilligung des Kredits im Fall P… II die ihnen als Vorstandsmitglieder nach §§ 76, 82, 93 AktG obliegende Pflicht, die Vermögensinteressen der B…-H… AG wahrzunehmen, verletzt haben.
aa) Die Strafkammer hat ihrer Bewertung die vom Bundesgerichtshof entwickelten Maßstäbe zur Beurteilung der Pflichtwidrigkeit von Kreditvergabeentscheidungen zugrunde gelegt. Danach entspricht es anerkannten bankkaufmännischen Grundsätzen, Kredite nur nach umfassender und sorgfältiger Bonitätsprüfung zu gewähren; eine Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB liegt vor, wenn die Entscheidungsträger bei der Kreditvergabe ihre bankübliche Informations- und Prüfungspflicht bezüglich der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers gravierend verletzt haben (BGHSt 47, 148 <150>). Der Bundesgerichtshof präzisiert dies dahingehend, der Schluss, eine Kreditbewilligung sei pflichtwidrig gewesen, setze voraus, dass sich das Tatgericht eingehend mit allen dafür maßgeblichen Umständen, insbesondere den Vermögensverhältnissen des Kreditnehmers, der beabsichtigten Verwendung des Kredits und den Aussichten des geplanten Geschäftes, auseinandersetze. Jede Kreditbewilligung sei ihrer Natur nach ein mit einem Risiko behaftetes Geschäft. Bei einer Kreditvergabe seien auf der Grundlage umfassender Information diese Risiken gegen die sich daraus ergebenden Chancen abzuwägen. Sei diese Abwägung sorgfältig vorgenommen worden, könne eine Pflichtverletzung nicht deshalb angenommen werden, weil das Engagement später notleidend werde (BGHSt 46, 30 <33 f.>).
Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Risikoprüfung nicht ausreichend vorgenommen worden ist, können sich nach Auffassung des Bundesgerichtshofs insbesondere daraus ergeben, dass die Informationspflichten vernachlässigt wurden, die Entscheidungsträger nicht die erforderliche Befugnis besaßen, im Zusammenhang mit der Kreditgewährung unrichtige oder unvollständige Angaben gegenüber Mitverantwortlichen oder zur Aufsicht befugten oder berechtigten Personen gemacht werden, die vorgegebenen Zwecke nicht eingehalten wurden, die Höchstkreditgrenzen überschritten wurden oder die Entscheidungsträger eigennützig handelten (vgl. BGHSt 46, 30 <34>). Anhaltspunkte für eine untreuerelevante Pflichtverletzung sollen sich ferner daraus ergeben können, dass die in § 18 Satz 1 KWG normierte Pflicht, die Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse zu verlangen, nicht erfüllt wurde, auch wenn die Informationspflichten, deren Vernachlässigung eine Pflichtwidrigkeit im Sinne des Untreuetatbestandes begründe, und die Pflicht nach § 18 KWG nicht vollständig deckungsgleich seien. Zur weiteren Erläuterung der banküblichen Sorgfaltspflichten bei der Kreditwürdigkeitsprüfung, welche die Grenzen des rechtlichen Dürfens von Bankleitern bei der Kreditvergabe konkretisierten, greift der Bundesgerichtshof auch auf die zu § 18 KWG ergangenen Rundschreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (früher: Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen) zurück (vgl. BGHSt 47, 148 <150 ff.>).
bb) Diese Maßstäbe genügen den dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Auslegung des Merkmals der Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht. Sie machen die Verletzung einer im Innenverhältnis zwischen der Bank und deren Leitern (im Falle einer Aktiengesellschaft: deren Vorstandmitgliedern) bestehenden Pflicht zur notwendigen, nicht aber hinreichenden Voraussetzung für die Feststellung einer Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des Untreuetatbestands. Insbesondere hält sich die typisierende Annahme des Bundesgerichtshofs, dass es zu den Pflichten eines Bankleiters gehört, die Einhaltung der gegen die Bank im Außenverhältnis bindenden Vorschrift einschließlich der dazu ergangenen Ausführungsbestimmungen sicherzustellen, in dem von § 266 Abs. 1 StGB eröffneten Auslegungsrahmen. Auch der spezifische Vermögensbezug der § 18 KWG zu entnehmenden Pflichten liegt auf der Hand. Die Norm dient jedenfalls faktisch dem Schutz des Vermögens der Bank, unabhängig von der Frage, in wessen Interesse dies letztendlich liegt (vgl. dazu § 4 Abs. 4 FinDAG; Bock, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz, 3. Aufl. 2008, § 18 Rn. 3; Knauer, NStZ 2002, S. 399 <401>; Laskos, Die Strafbarkeit wegen Untreue bei der Kreditvergabe, 2001, S. 34).
Die vom Bundesgerichtshof entwickelten Maßstäbe haben den Untreuetatbestand im Hinblick auf Kreditbewilligungen ausreichend konkretisiert (vgl. Dierlamm/Links, NStZ 2000, S. 656; Gallandi, wistra 2001, S. 281) und gewährleisten die Vorhersehbarkeit der Strafdrohung. Eine darüber hinausgehende Präzisierung ist jedenfalls anlässlich des vorliegenden Falls entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer verfassungsrechtlich nicht erforderlich. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Untreuestrafbarkeit im Zusammenhang mit Kreditbewilligungen einen Personenkreis betrifft, bei dem nach Ausbildung und Erfahrung die für die fallbezogene Anwendung der rechtlichen Standards nötigen Fachkenntnisse vorausgesetzt werden können (vgl. BVerfGE 48, 48 [BVerfG 15.03.1978 – 2 BvR 927/76] <57>). Dass die vom Bundesgerichtshof genannten Kriterien für die Pflichtwidrigkeit ersichtlich keinen zwingenden, abschließenden Katalog darstellen, sondern vielmehr Indizien, deren Indizwirkung im Übrigen auch widerlegt werden kann (vgl. Knauer, NStZ 2002, S. 399 <400>), folgt aus der Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine detaillierte Tatbestandsstruktur, derzufolge Raum für die Berücksichtigung von Besonderheiten des Einzelfalls bleiben muss.
cc) Weder auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens noch anderweitig ist zu erkennen, dass die Strafkammer bei der Prüfung des konkreten Sachverhalts von den dargelegten Grundsätzen abgewichen wäre.
b) Die Auslegung und Anwendung des Nachteilsmerkmals durch das Landgericht Berlin erweist sich dagegen als verfassungswidrig. Bei der Feststellung eines Vermögensnachteils hat die Strafkammer auf die Rechtsfigur des Gefährdungsschadens zurückgegriffen. Diese dogmatische Konstruktion ist unter dem Blickwinkel des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots zwar nicht grundsätzlich zu beanstanden, doch müssen die bereits dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Auslegung des Untreuetatbestands (hier: des Nachteilsmerkmals) auch fallbezogen gewahrt bleiben. Daran fehlt es vorliegend.
aa)
(1) Der Dogmatik der schadensgleichen Vermögensgefährdung oder des Gefährdungsschadens – die Begriffe werden im Folgenden synonym verwendet – liegt die Annahme zugrunde, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung unter bestimmten Umständen bereits die Gefahr eines zukünftigen Verlusts eine gegenwärtige Minderung des Vermögenswerts und damit einen vollendeten Schaden oder Nachteil im Sinne der §§ 263, 266 StGB darstellen kann (vgl. bereits Beschluss der Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts vom 20. April 1887, RGSt 16, 1 <11>; dazu Fischer, StraFo 2008, S. 269 <270>).
Die Annahme eines Gefährdungsschadens setzt nach gefestigter Rechtsprechung voraus, dass das Vermögen des Opfers durch die Tathandlung konkret gefährdet wird. Eine abstrakte Gefährdungslage reiche nicht aus. Vielmehr sei unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob die Betroffenen mit wirtschaftlichen Nachteilen ernstlich zu rechnen hätten, der Eintritt eines Schadens also nahe liegend sei, so dass der Vermögenswert aufgrund der Verlustgefahr bereits gegenwärtig gemindert werde (vgl. nur BGHSt 48, 354 <357 f.>; 51, 100 <113>; 52, 182 <188>; BayObLG, Beschluss vom 20. Juli 1995 – 4 StR RR 4/95 -, […]; OLG Hamm, Beschluss vom 29. April 1999 – 2 Ws 71/99 -, […]; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30. August 1989 – 1 Ws 60/89 -, NStZ 1990, S. 82 <84>; OLG Stuttgart, Urteil vom 19. August 1970 – 1 Ss 318/70 -, NJW 1971, S. 64 [OLG Stuttgart 19.08.1970 – 1 Ss 318/70]; weitere Nachweise bei Fischer, Strafgesetzbuch, 57. Aufl. 2010, § 266 Rn. 150 ff.; Kindhäuser, a.a.O., § 266 Rn. 110).
Auch im Schrifttum ist die Kategorie des Gefährdungsschadens dem Grundsatz nach weitestgehend anerkannt (vgl. nur Fischer, a.a.O., § 266 Rn. 150; Kindhäuser, in: Nomos-Kommentar Strafgesetzbuch, Bd. 2, 2. Aufl. 2005, § 266 Rn. 110; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil, Teilbd. 1, 9. Aufl. 2003, S. 587 f.; Schünemann, a.a.O., § 266 Rn. 146). Allerdings findet sich auch verbreitet Kritik an den Bestimmungsansätzen der Rechtsprechung und ihrer Handhabung im Einzelfall; insbesondere in jüngerer Zeit wird immer wieder geltend gemacht, dass die Rechtsprechung den Bereich schadensgleicher Gefährdung zu weit ausgedehnt habe (vgl. etwa Albrecht, in: Festschrift für Rainer Hamm, 2008, S. 1 <2 f.>; Dierlamm, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Bd. 4, 2006, § 266 Rn. 186, 195; Otto, JZ 1985, S. 69 <72>; ders., JZ 1993, S. 652 <657>; Samson/Günther, in: Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 45 <Dez. 1996>; Weber, in: Arzt/Weber, Strafrecht Besonderer Teil, 2. Aufl. 2009, S. 700 f.). Zur besseren Eingrenzung wird beispielsweise vorgeschlagen, darauf abzustellen, ob und inwieweit die Gefährdungslage aus Sicht des Opfers noch beherrschbar ist (vgl. Schünemann, a.a.O., § 266 Rn. 146), oder das Vorliegen einer schadensgleichen Vermögensgefährdung nach zivilrechtlichen Kriterien zu beurteilen, insbesondere danach, ob sich die Gefahr für ein Vermögensgut so weit verdichtet habe, dass das Zivilrecht einen Schadensersatz-, Beseitigungs- oder Kondiktionsanspruch gewähre (vgl. Cramer, Vermögensbegriff und Vermögensschaden im Strafrecht, 1968, S. 130 ff.). Andere Autoren halten eine Vermögensgefährdung nur dann für hinreichend konkret und schadensgeeignet, wenn sie (als Folge der Pflichtwidrigkeit) unmittelbar in den effektiven Schaden übergehen kann (vgl. Matt/Saliger, in: Irrwege der Strafgesetzgebung, 1999, S. 217 <236>; Matt, NJW 2005, S. 389 <391>; zu der Problematik unter dem Gesichtspunkt der objektiven Zurechnung ferner Perron, in: Festschrift für Klaus Tiedemann, 2008, S. 737 <744>). Schließlich werden die genannten Kriterien auch kombiniert (vgl. Dierlamm, a.a.O., § 266 Rn. 165 ff.; ausführliche Übersicht zum Meinungsstand bei Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, 1994, S. 49 ff.).
(2) Mit der Gleichsetzung von Schaden und Gefährdung (unter bestimmten Umständen und in gewissem Umfang) tragen Rechtsprechung und Schrifttum der Tatsache Rechnung, dass sich in einem marktorientierten Wirtschaftssystem die Preise über den Mechanismus von Angebot und Nachfrage bilden und dass sich daher auch die Zukunftserwartungen der Marktteilnehmer auf den erzielbaren Preis und damit den Wert von Gegenständen auswirken (vgl. Fischer, NStZ-Sonderheft 2009, S. 8 <11>).
Diese grundlegende Tatsache hat ihren Niederschlag auch in den Bewertungsvorschriften des Bilanzrechts gefunden (zu dessen Bedeutung in diesem Zusammenhang vgl. eingehend Hefendehl, a.a.O., S. 169 ff., 448, 454 f.). So sieht § 253 Abs. 4 HGB im Interesse einer realitätsgerechten Bewertung vor, bei Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens (ausgehend von deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vgl. § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB) Abschreibungen vorzunehmen, um diese mit dem niedrigeren Wert anzusetzen, der sich aus einem Börsen- oder Marktpreis am Abschlussstichtag ergibt. Ist ein Börsen- oder Marktpreis nicht festzustellen und übersteigen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten den Wert, der den Vermögensgegenständen am Abschlussstichtag beizulegen ist, so ist auf diesen Wert abzuschreiben. Der niedrigere beizulegende Wert im Sinne des § 253 Abs. 4 HGB wird durch die geschätzte Höhe des mit Wahrscheinlichkeit zufließenden Betrags bestimmt; dabei ist die Erfassung der den jeweiligen Vermögensgegenständen individuell anhaftenden Risiken und gegebenenfalls der damit zusammenhängenden künftigen Aufwendungen (z. B. Beitreibungskosten) erforderlich (vgl. Ellrott/Ring, in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, 6. Aufl. 2006, § 253 HGB Rn. 567).
Hieraus ergibt sich ohne weiteres, dass es mit der wirtschaftlichen Praxis und mit dem – unter dem Blickwinkel des Bestimmtheitsgebots maßgebenden – allgemeinen Sprachgebrauch in Einklang stehen kann, bei Bestehen der konkreten Gefahr eines künftigen Verlusts bereits einen gegenwärtigen Nachteil anzunehmen. Dies ist nicht in sich widersprüchlich, sondern Folge der spezifischen Eigenart des Rechtsguts „Vermögen“. Ein solcher Ansatz stellt auch nicht die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Unterscheidung zwischen „bloßer Gefahr“ einerseits und gegenwärtigem Nachteil andererseits (dazu oben II. 2. b) cc) (1)) grundsätzlich in Frage: Die (negative) Wertberichtigung ist die Konsequenz aus einem erkannten Risiko; sie ist weder mit diesem Risiko noch gar mit dem wahrscheinlich erwarteten zukünftigen Verlust selbst identisch. Letzteres wird augenfällig bei der Schadenshöhe. Diese hängt von dem prognostizierten Risiko ab und wird daher in aller Regel den vollen nominellen Wert des verlustgefährdeten Vermögensgegenstands nicht erreichen; zwischen dem erwarteten Schaden und dem gegenwärtigen besteht also regelmäßig ein quantitativer Unterschied (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 – 1 StR 731/08 -, NStZ 2009, S. 330 <331>; Schmitt, BKR 2006, S. 125 <130>; Riemann, Vermögensgefährdung und Vermögensschaden, 1989, S. 7). Die Ausdrücke „Gefährdungsschaden“ oder „schadensgleiche Vermögensgefährdung“ weisen mithin in der Sache nicht etwa auf eine richterrechtlich geschaffene besondere Kategorie von Gefährdungsdelikten hin; sie bezeichnen vielmehr eine nicht drohende, sondern eingetretene Vermögensminderung (vgl. Fischer, StraFo 2008, S. 269 <271>; Brüning/Wimmer, ZJS 2009, S. 94 <97>; Otto, JZ 1985, S. 69 <72>; ders., JZ 1993, S. 652 <658>; zur Frage, ob angesichts dessen die Terminologie glücklich ist, vgl. einerseits Ransiek, ZStW <2004>, S. 634 <668>, sowie BGH, Beschlüsse vom 18. Februar 2009 – 1 StR 731/08 -, NStZ 2009, S. 330 <331> und vom 20. März 2008 – 1 StR 488/07 -, NJW 2008, S. 2451 <2452>, andererseits Beulke/Witzigmann, JR 2008, S. 430 <433>; Fischer, StraFo 2008, S. 269 <275 f.>).
(3) Zu den Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens, für die gemäß § 253 Abs. 4 Satz 1, 2 HGB eine Abschreibungspflicht auf einen am Abschlussstichtag niedrigeren „beizulegenden Wert“ besteht, zählen nach § 340e Abs. 1 Satz 2 HGB grundsätzlich alle durch Banken ausgereichte Kredite (vgl. Schneider, BB 1995, S. 2155). Ist aufgrund fehlender Bonität des Schuldners und fehlender Sicherheiten konkret erkennbar, dass mit einem teilweisen oder vollständigen Forderungsausfall zu rechnen ist, muss folglich eine Einzelwertberichtigung gebildet oder sogar eine Direktabschreibung vorgenommen werden (vgl. Fischer/Sittmann-Haury, IRZ 2006, S. 217 <222>), so dass das Vermögen der Bank bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung bereits durch den Vertragsschluss (die verbindliche Kreditzusage) wegen der Minderwertigkeit des Gegenleistungsanspruchs negativ verändert wird (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 – 1 StR 731/08 -, NStZ 2009, S. 330 <331>; Hellmann, ZIS 2007, S. 433 <439 f.>; Martin, Bankuntreue, 2000, S.122; Nack, NJW 1980, S. 1599 <1600>; ders., StraFo 2008, S. 277 <279>; Ransiek, a.a.O., S. 668 f.; Schmitt, BKR 2006, S. 125 <130>).
Dem entsprechend geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass sich in Fällen der Kreditvergabe ein Gefährdungsschaden bereits aus der Minderwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs gegenüber der ausgereichten oder auszureichenden Darlehensvaluta ergeben kann (vgl. BGHSt 47, 148 <157>; Schmitt, BKR 2006, S. 125 <130>; Hellmann, ZIS 2007, S. 433 <440>). Diese Auffassung liegt auch der Schadensermittlung im vorliegenden Fall zugrunde. Ihr lässt sich nicht das von den Beschwerdeführern (ähnlich Klötzer/Schilling, StraFo 2008, S. 303 <306>) für absurd gehaltene Ergebnis entgegenhalten, dass sich tatsächlich in höherem Maße als erwartet erfolgende Rückzahlungen nicht mehr schadensmindernd auswirken; eine unvorhersehbare glückliche nachträgliche Entwicklung ist nicht geeignet, die wirtschaftliche Minderwertigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt – die sich, soweit erkannt, bei einer Veräußerung der betreffenden Vermögenswerte voll auswirken würde – nachträglich zu beseitigen.
bb) Auch wenn mithin keine prinzipiellen verfassungsrechtlichen Einwände gegen die Anwendung der dogmatischen Figur des Gefährdungsschadens auf den Untreuetatbestand – auch und gerade in Fällen der Kreditvergabe – bestehen, so ist doch festzustellen, dass damit die Gefahr einer Überdehnung des Tatbestands in erhöhtem Maße verbunden ist.
(1) Bewertung und Wertberichtigung von Forderungen gehören zum kaufmännischen Alltag (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 – 1 StR 731/08 -, NStZ 2009, S. 330 <331> m. umf. N.; Nack, StraFo 2008, S. 277 <280>). Gleichwohl können sie im Einzelfall – insbesondere in den Fällen der Kreditvergabe – komplexe wirtschaftliche Analysen erfordern. Der niedrigere „beizulegende Wert“ im Sinne des § 253 Abs. 4 HGB ist bei Forderungen regelmäßig nicht auf einen Markt- oder Börsenpreis zurückführbar, sondern ergibt sich aus der Einbringlichkeit der Forderung am Bilanzstichtag (vgl. Wimmer/Kusterer, DStR 2006, S. 2046). Zu ermitteln ist also der Barwert der voraussichtlich erzielbaren künftigen Zins- und Tilgungszahlungen (vgl. Fischer/Sittmann-Haury, IRZ 2006, S. 217 <223>; Wimmer/Kusterer, a.a.O., S. 2048; v. Heynitz/Jörg, BC 2003, S. 97 <98>) unter Berücksichtigung der Bonität des Kreditnehmers und der Rendite des Kredits (vgl. Schneider, BB 1995, S. 2155; zur Bonitätsbewertung Wimmer/Kusterer, a.a.O., S. 2047) sowie aller Umstände, die den Forderungseingang zweifelhaft erscheinen lassen (vgl. Ellrott/Ring, in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, 6. Aufl. 2006, § 253 HGB Rn. 569 ff.). Auch verwertbare Sicherheiten und etwaige Rückgriffsmöglichkeiten sind bei der Bestimmung des Ausfallrisikos zu berücksichtigen (vgl. Ellrott/Ring, in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, 6. Aufl. 2006, § 253 HGB Rn. 569 ff.; v. Heynitz/Jörg, a.a.O., S. 98). Die Bankpraxis ist gehalten, Arbeitsanweisungen zu erstellen, die dokumentieren, anhand welcher Kriterien Einzelwertberichtigungen zu erfolgen haben; die von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht festgelegten Mindestanforderungen an das Risikomanagement der Kreditinstitute sehen vor, dass die Institute beispielsweise im Wege eines institutsinternen Forderungsbewertungsverfahrens Kriterien festzulegen haben, auf deren Grundlage unter Beachtung der angewandten Rechnungslegungsnormen Wertberichtigungen, Abschreibungen und Rückstellungen für das Kreditgeschäft zu bilden sind (Rundschreiben 15/2009 vom 14. August 2009, unter BTO 1.2; zu Beispielen für Wertberichtigungsgrundsätze vgl. Nack, StraFo 2008, S. 277 <280>).
(2) Demgegenüber hält die Rechtsprechung in den Fällen des Gefährdungsschadens eine konkrete Feststellung der Schadenshöhe nach anerkannten Bewertungsmaßstäben nicht durchweg für erforderlich.
Vielmehr geht die Rechtsprechung verbreitet davon aus, dass ein Gefährdungsschaden bei Durchführung von Risikogeschäften wie der Kreditvergabe dann vorliegen soll, wenn „Geschäfte betrieben werden, die von dem Gebot kaufmännischer Sorgfalt weit abweichen, indem einer aufs Äußerste gesteigerten Verlustgefahr nur eine höchst zweifelhafte Aussicht auf einen günstigen Verlauf gegenübersteht, durch die der Beschuldigte wie beim Glücksspiel‘ alles auf eine Karte setzt'“ (vgl. RGSt 61, 211 <213>; 66, 255 <262>; Nack, NJW 1980, S. 1599 <1602>), oder wenn der Täter „nach Art eines Spielers bewusst und entgegen den Regeln kaufmännischer Sorgfalt eine aufs äußerste gesteigerte Verlustgefahr auf sich nimmt, nur um eine höchst zweifelhafte Gewinnaussicht zu erlangen“ – wobei sich eine eindeutige, allgemeine, für jeden Einzelfall gültige Bewertungsregel kaum festlegen lasse (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1975 – 4 StR 571/74 -, NJW 1975, S. 1234 [BGH 27.02.1975 – 4 StR 571/74] <1236>; vgl. ferner Laskos, a.a.O., S. 97 ff., 104 ff.). Liegen diese Kriterien vor, dann wird die Forderung mit ihrem Nominalbetrag als Vermögensnachteil in Form einer Vermögensgefährdung eingestuft, die wegen des hohen Ausfallrisikos schadensgleich ist. Bei der Strafzumessung wird aber auf den „echten“ Schaden abgestellt, indem schuldmindernd bewertet wird, dass „nur“ ein Gefährdungsschaden vorgelegen hat (vgl. Nack, StraFo 2008, S. 277 <280>). Zugunsten des Verzichts auf eine Quantifizierung des Gefährdungsschadens werden die mit einer Bewertung verbundenen praktischen Schwierigkeiten angeführt, die auch durch den Einsatz von Sachverständigen nicht ohne weiteres zu bewältigen seien (vgl. Nack a.a.O.; Fischer, NStZ-Sonderheft 2009, S. 8 <12>).
(3) Der Verzicht auf eine eigenständige Ermittlung des Nachteils, wozu angesichts der Schwierigkeiten der Beurteilung bei Kreditvergaben in der Regel die Konkretisierung des Schadens der Höhe nach anhand üblicher Maßstäbe des Wirtschaftslebens gehört, begegnet durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Er ist geeignet, die eigenständige strafbarkeitsbegrenzende Funktion des Nachteilsmerkmals zu unterlaufen, indem an die Stelle der vom Gesetzgeber gewollten wirtschaftlichen Betrachtung eine weitgehend normativ geprägte Betrachtungsweise tritt, wie die zitierten Formeln der Rechtsprechung (weite Abweichung von den Geboten kaufmännischer Sorgfalt, Handeln nach Art eines Spielers) zeigen. Ein eigenständiger, über das Merkmal der Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht hinausgehender Gehalt des Nachteilsmerkmals ist bei solcher Auslegung nicht mehr zu erkennen; es findet eine „Verschleifung“ der Tatbestandsmerkmale entgegen der gesetzgeberischen Intentionen statt (vgl. Albrecht, a.a.O., S. 1 <2 f.>; Dierlamm, a.a.O., § 266 Rn. 6).
Damit wird die Entscheidung des Gesetzgebers gegen die Versuchsstrafbarkeit unterlaufen. Erst die konkrete wirtschaftliche Auswirkung macht eine zukünftige Verlustgefahr zu einem gegenwärtigen Schaden. Wird auf die nachvollziehbare, in der Regel zahlenmäßig zu belegende Ermittlung und Benennung des („Gefährdungs“-) Schadens verzichtet, besteht die Gefahr einer allgemeinen und undifferenzierten Gleichsetzung von (zukünftiger) Verlustgefahr und (gegenwärtigem) Schaden (vgl. Otto, JZ 1985, S. 69 <72>; ders., JZ 1993, S. 652 <657>; Aldenhoff/Kuhn, ZIP 2004, S. 103 <106>). Nur eine nachvollziehbare Darlegung und Ermittlung des Schadens auch in seinem Ausmaß kann verhindern, dass eine Bestrafung wegen (vollendeter) Untreue auch dann erfolgt, wenn Verlustwahrscheinlichkeiten so diffus sind oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens ungewiss, wenn auch möglich bleibt (vgl. Dierlamm, NStZ 1997, S. 534 <535>; Ransiek, a.a.O., S. 661). Dem entsprechend sind sowohl im Schrifttum als auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits Bedenken geäußert worden, dass die Übertragung des ursprünglich für die Bestimmung des Vermögensschadens in Sonderfällen des Betrugs entwickelten Begriffs der schadensgleichen Vermögensgefährdung auf die Auslegung des Nachteilsbegriffs in § 266 Abs. 1 StGB im Ergebnis zu einer Ausweitung des ohnehin schon äußerst weiten Tatbestands der Untreue in Richtung auf ein bloßes Gefährdungsdelikt führen könne (vgl. Dierlamm, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Bd. 4, 2006, § 266 Rn. 186, 195; Fischer, Strafgesetzbuch, 57. Aufl. 2010, § 266 Rn. 159 m.w.N.; Samson/Günther, in: Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 266 Rn. 45 <Dez. 1996>; BGHSt 51, 100 <121 ff.>).
(4) Um eine derartige verfassungswidrige Überdehnung des Untreuetatbestands in den Fällen des Gefährdungsschadens zu vermeiden, ist es notwendig – aber auch ausreichend -, die bereits dargelegten Maßgaben für die präzisierende und restriktive Auslegung des Nachteilsmerkmals strikt zu beachten. Danach sind auch Gefährdungsschäden von den Gerichten in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise festzustellen. Anerkannte Bewertungsverfahren und -maßstäbe sind zu berücksichtigen; soweit komplexe wirtschaftliche Analysen vorzunehmen sind, wird die Hinzuziehung eines Sachverständigen erforderlich sein. Die im Falle der hier vorzunehmenden Bewertung unvermeidlich verbleibenden Prognose- und Beurteilungsspielräume sind durch vorsichtige Schätzung auszufüllen. Im Zweifel muss freigesprochen werden.
cc) Die Entscheidungen des Landgerichts und des Bundesgerichtshofs verletzen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG, weil sie im Fall P… II einen Vermögensschaden angenommen haben, obwohl keine den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechende Feststellungen zu dem Nachteil getroffen wurden, der durch die pflichtwidrige Kreditvergabe der Beschwerdeführer verursacht worden sein könnte.
(1) Es kann hier dahinstehen, ob sich die konkrete Schadensfeststellung des Landgerichts noch im Rahmen der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung hielt. Denn auch die höchstrichterliche Rechtsprechung wäre von Verfassungs wegen gehindert, die Entscheidung des Gesetzgebers zur eigenständigen Bedeutung des Tatbestandsmerkmals „Nachteil“ zu missachten. Gegen Bestimmtheitsanforderungen aus Art. 103 Abs. 2 GG hat die angegriffene Entscheidung des Landgerichts deshalb verstoßen, weil sie den als Nachteil geforderten Vermögensschaden nicht hinreichend konkret ermittelt, sondern letztlich aus der angenommenen Pflichtwidrigkeit wertend gewonnen hat.
Wie auch der Bundesgerichtshof festgestellt hat, war die Annahme völliger Wertlosigkeit der Darlehensrückzahlungsforderung bei ausschließlicher Inrechnungstellung der Grundsicherheiten durch das Landgericht verfehlt. Die Bedenken des Bundesgerichtshofs gegen die Schadensbestimmung des Landgerichts gründen erkennbar in den folgenden Ermittlungsdefiziten: Nachdem das Geschäftsmodell der Darlehensnehmerin die Rückzahlung des Kredits aus den mit den finanzierten Objekten erzielten Miet- und Veräußerungseinnahmen vorsah, hätte ermittelt werden müssen, welche konkreten Gewinnaussichten für die Darlehensnehmerin zum Zeitpunkt der Kreditbewilligung bestanden und wie diese sich auf die Werthaltigkeit der Kreditforderung auswirkten. Tatsächlich sind schon die Anknüpfungstatsachen für eine solche Berechnung dem landgerichtlichen Urteil nicht zu entnehmen; Feststellungen zur tatsächlichen Höhe der Mieteinnahmen zum Zeitpunkt der Kreditbewilligung fehlen ebenso wie Aussagen zu den nach seinerzeitiger Sichtweise realistisch zu erwartenden künftigen Entwicklungen. Lückenhaft sind selbst die Angaben zum nominellen Wert der Kreditforderung; die Strafkammer ist insofern vom reinen Rückzahlungsanspruch ausgegangen, ohne eine klare Aussage zur Höhe der Zinsen zu treffen, obwohl diese im Rahmen einer wirtschaftlichen Berechnung zu berücksichtigen gewesen wären (vgl. Nack, StraFo 2008, S. 277 <279>). Im Übrigen hätte die Berechnung des Forderungswerts eine Auseinandersetzung mit banküblichen Bewertungsverfahren erfordert und war daher offensichtlich ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen nicht zu leisten.
Wenn das Landgericht sich für die Annahme der völligen Wertlosigkeit der Rückzahlungsforderung demgegenüber ausdrücklich auf die zur Frage der Pflichtwidrigkeit gemachten Feststellungen beruft und daraus eine „aufs Äußerste gesteigerte Verlustgefahr bei einer nur höchst zweifelhaften Aussicht auf einen günstigen Verlauf, mithin eine über das allgemeine Risiko bei Kreditgeschäften hinausgehende höchste Gefährdung“ folgert, verdeutlicht dies im konkreten Fall die mit der Aufgabe einer Schadensfeststellung nach wirtschaftlichen Kriterien einhergehende Verschleifung der Tatbestandsmerkmale, die den eigenständigen Gehalt des Nachteilsmerkmals aufgibt. Damit wird die tatbestandsbegrenzende Funktion des Nachteils in § 266 Abs. 1 StGB unter Verletzung von Art. 103 Abs. 2 GG verkürzt.
(2)
Der Bundesgerichtshof hat gleichwohl dem Urteilszusammenhang entnommen, dass sich dies auf die Feststellung eines Vermögensnachteils und auf die Bemessung von dessen Ausmaß im Ergebnis nicht zum Nachteil der Beschwerdeführer ausgewirkt habe und dass das Urteil des Landgerichts nicht auf diesem Mangel beruhe. Die diesbezüglichen Erwägungen lassen sich nicht anders als dahin verstehen, dass auch der Bundesgerichtshof die eigenständige Bedeutung sowie die die Strafbarkeit begrenzende Funktion des Tatbestandselements „Nachteil“ in § 266 Abs. 1 StGB nicht hinreichend berücksichtigt und seinen Blick auf die Erfüllung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals verengt hat.
Der Bundesgerichthof sieht eine im Sinne des § 266 StGB tatbestandsrelevante Vermögensgefährdung darin, dass die Beschwerdeführer mit der Kreditgewährung ein allzu weitgehendes Risiko eingegangen seien, weil – anders als bei den anderen angeklagten Kreditgewährungen (L… III, S…) – kein ausreichender Sicherheitsspielraum vorhanden gewesen sei. Dieses von ihnen erkannte Risiko habe sich dann in einer entsprechenden Vermögensgefährdung niedergeschlagen, die nach außen deutlich geworden sei (unter Hinweis auf Leerstand, Wertberichtigungen und Einstellung weiterer Rückzahlungen). Hiernach bestehe unter Berücksichtigung der pflichtwidrig von den Beschwerdeführern eingegangenen Risiken (Gefahr einer Negativentwicklung des Geschäftskonzepts im Zusammenhang mit den Plattenbauten bei mindestens überaus knapper Modernisierungskalkulation mit fehlenden Kapitalreserven; Hintergrund einer unmittelbar zuvor abgelehnten Kreditgewährung) im Ergebnis kein Zweifel daran, dass ein grundlegend abweichender zutreffender Ansatz der Bestimmung des Nachteils insoweit kein günstigeres Ergebnis für die Beschwerdeführer erbracht hätte. Hierzu führt der Bundesgerichtshof weiter aus: „Dies gilt angesichts der festgestellten gesamten Negativentwicklung auch in Anbetracht der gebotenen Berücksichtigung einer Haftung auch anderer A…-Objekte für den der Verurteilung zugrunde liegenden Kredit. Dies steht vor dem Hintergrund, dass die Pflichtwidrigkeit des eingegangenen Risikos maßgeblich am Umfang des Gesamtengagements der Bank mit A…-Krediten, für die sich weitestgehend auch keine Konsortialbank finden ließ, zu messen ist.“ Der vom Landgericht ausgeurteilte Untreuevorwurf sei im Ergebnis zu Recht letztlich darin zu finden, dass die als Vorstandsmitglieder der Bank verantwortlichen Beschwerdeführer zu einem Zeitpunkt, als dies wirtschaftlich noch vertretbar gewesen sei, unter Vernachlässigung erkannter deutlicher Risiken und Negierung vielfältiger Warnungen pflichtwidrig die Kreditgewährung für das A…-Gesamtprojekt fortsetzten, anstatt pflichtgemäß das Engagement durch Verweigerung weiterer Kredite ohne weitere Nachweise zu positiver Entwicklung des Gesamtkonzepts zu begrenzen.
Wegen der unzureichenden Ermittlungen des Landgerichts, auf die der Bundesgerichtshof zudem lediglich ausschnittsweise und schlagwortartig Bezug nimmt, fehlen hier handgreiflich die Voraussetzungen für die Feststellung eines konkreten Schadens durch den Bundesgerichtshof.
dd) Das Urteil des Landgerichts ist daher wegen Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 2 GG aufzuheben; gleiches gilt für den Beschluss des Bundesgerichtshofs, mit dem der Grundrechtsverstoß perpetuiert worden ist. Die Sache ist an das Landgericht Berlin zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).“
Beschluss des BVerfG vom 23.06.2010 (2 BvR 2559/08)