Während einer vom angeklagten Arzt durchgeführten Bronchoskopie stand plötzlich das Bronchoskop in Flammen. Die Patientin verstarb wenige Tage nach dem misslungenen Eingriff. Der von der Staatsanwaltschaft beauftragte Sachverständige unterstellte unserem Mandanten diverse Sorgfaltspflichtverletzungen, so dass die Staatsanwaltschaft Anklage wegen fahrlässiger Tötung erhob. In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Mülheim an der Ruhr erreichten wir eine Einstellung für unseren Mandanten.
An dem misslungenen Eingriff waren der beschuldigte Arzt und weitere Assistenzkräfte beteiligt. Für die Staatsanwaltschaft war im Ermittlungsverfahren zunächst nicht feststellbar, warum sich das Bronchoskop entzündete, ob eine fehlerhafte Anwendung vorlag, und wenn ja, wem ein solches Fehlverhalten anzulasten war. Sämtliche Beteiligte schilderten die Vorgänge unterschiedlich. Die Staatsanwaltschaft beauftragte einen medizinischen Sachverständigen, den bekannten Chefarzt einer namhaften Klinik, mit der Begutachtung des Falles und Klärung der Frage, wem der Behandlungsfehler zuzurechnen sei. Der beauftragte Sachverständige kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass nur der Arzt den fehlerhaften Eingriff aufgrund einer Art Letztverantwortlichkeit zu verantworten habe und den Assistenzkräften kein strafrechtlicher Vorwurf zu machen sei. Der beschuldigte Facharzt wies im Ermittlungsverfahren die Vorwürfe zurück. Sein damaliger Verteidiger brachte diverse Argumente vor, die einen Tatverdacht widerlegen sollten. Diese verfingen jedoch nicht. Auf Grundlage des Gutachtens und des Bestreitens des Arztes gab es für die Staatsanwaltschaft keine Alternative zur Anklageerhebung. Eine Einstellung gemäß § 153a StPO schloss die zuständige Staatsanwältin kategorisch aus.
Beauftragung eines erfahrenen Rechtsanwalts in Arztstrafverfahren
Mit Anklageerhebung beendete der angeklagte Arzt das Mandatsverhältnis mit dem bisherigen Verteidiger und beauftragte Rechtsanwalt Christoph Klein und Rechtsanwalt Jörg Hartmann aus Duisburg mit der Verteidigung. Die Einarbeitung in den Fall erforderte eine vertiefte Auseinandersetzung mit den medizinischen Hintergründen der in der Bronchoskopie angewendeten Technik. Es war erforderlich, Fachaufsätze zu lesen und sich medizinischen Rat aus unserem Expertennetzwerk einzuholen. Nach intensiver Einarbeitung in den Sachverhalt waren wir Verteidiger überzeugt, dass die Ausführungen des Sachverständigen oberflächlich, teils widersprüchlich und teilweise sogar falsch waren. Das Gutachten war inhaltlich und stilistisch nicht lege artis angefertigt.
Rechtsgespräch in der Hauptverhandlung
In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Mülheim an der Ruhr gab die Verteidigung sodann nach Anklageverlesung eine entsprechende Stellungnahme für unseren Mandanten ab. In einem „Opening Statement“ regten wir ein sogenanntes Rechtsgespräch mit den professionellen Verfahrensbeteiligten an. In diesem Rechtsgespräch erörterten wir unsere Bedenken bezüglich des Gutachtens und legten umfangreich dar, warum der Sachverständige aus unserer Sicht nicht über ausreichende Sachkunde verfügte. Dankenswerterweise, denn das ist leider nicht selbstverständlich, zeigten sich Gericht und Staatsanwaltschaft für unsere Ausführungen offen und gaben uns ausreichend Gelegenheit, unsere Sichtweise vorzutragen und zu begründen. Damit bot sich für uns die Gelegenheit, eine in medizinischer Hinsicht fundierte Auseinandersetzung mit dem schriftlichen Sachverständigengutachten vorzutragen und sowohl Gericht als auch Staatsanwaltschaft davon zu überzeugen, dass die bisherigen Ausführungen des Sachverständigen nicht plausibel waren. Ferner legten wir weitere Schwachstellen des Gutachtens offen, die zeigten, dass der Sachverständige auch von falschen Tatsachen ausgegangen war. Letztlich konnten wir auch belastbare Anknüpfungspunkte dafür vortragen, die eine Befangenheit des Sachverständigen gemäß § 78 StPO besorgen ließen. Wir machten deutlich, dass ein entsprechender Befangenheitsantrag in der Hauptverhandlung gestellt würde, wenn sich Gericht und Staatsanwaltschaft nicht auf die von uns angeregte Einstellung des Verfahrens gegen eine angemessene Geldauflage einlassen würden. F
Drohende Verfahrenslänge für das Verteidigungsziel nutzen
Für den Fall, dass das Gericht dieses angekündigte Ablehnungsgesuch für begründet halten würde, was aus unserer Sicht alternativlos war, stand fest, dass sich der Verfahrensabschluss noch mehrere Monate, gegebenenfalls auch Jahre hinziehen würde, da ein weiterer Sachverständiger gefunden und beauftragt werden und dieser ausreichend Gelegenheit zur Einarbeitung und Anfertigung seiner Expertise bekommen müsste. Eine weitere Verfahrensverzögerung war jedoch nicht angemessen und sollte nach Auffassung aller Verfahrensbeteiligter vermieden werden.
Da aus unserer Sicht zu erwarten gewesen wäre, dass ein neuer Sachverständiger unsere medizinischen Argumente, die gegen eine Pflichtverletzung unseres Mandanten sprachen, bestätigen würde, waren nach langen und intensiven Verhandlungen sowohl Gericht als auch Staatsanwaltschaft bereit, das Verfahren gemäß § 153 a StPO gegen Zahlung einer angemessenen Geldauflage an eine gemeinnützige Einrichtung einzustellen. Mit einer solchen Verfahrenserledigung war auch unser Mandant nach kurzer Beratung einverstanden, da damit auch eine gute Ausgangssituation für mögliche berufsrechtliche Verfahren, die immer in Verteidigungsüberlegungen berücksichtigt werden müssen, geschaffen werden konnte.
Im Hinblick auf die Strafverteidigung in Arztstrafsachen belegt dieses Verfahren erneut, wie wichtig es ist, dass der Strafverteidiger mit medizinrechtlichen Grundzügen vertraut sein und er auch die Bereitschaft mitbringen muss, sich in medizinische Sachverhalte einzuarbeiten. Ferner ist es für den Mandanten immer vorteilhaft, wenn der Verteidiger auf externe Beratung durch Mediziner zurückgreifen kann.