Gemäß § 263 StGB ist für die Betrugsstrafbarkeit das Eintreten eines Vermögensschadens erforderlich. Im Fall eines Vertragsabschlusses kann im sog. Eingehungsbetrug ein Schaden nicht erst im Fall der Erfüllung der gegenseitigen Pflichten, sondern bereits schon zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorliegen. Dies ist dann der Fall, wenn der erlangte Anspruch weniger wert ist als die übernommene Verpflichtung. Die Rechtsprechung spricht in so einem Fall von einer konkreten Vermögensgefährdung, die bereits Annahme eines Schadens begründe.
Die Rechtsprechung hatte sich nun mit der Frage zu beschäftigen, ob bereits beim Abschluss von Lebensversicherungsverträgen eine solche Vermögensgefährdung (sog. Gefährdungsschaden) vorliegt, wenn die Verträge in der Absicht abgeschlossen werden, die Leistund der Versicherungen auf betrügerische Weise zu erlangen.
Das Bundesverfassungsgericht hat dabei letztlinstanzlich entschieden, dass auch die Annahme von Gefährdungsschäden die Gerichte nicht von der Pflicht befreie, die Schadenshöhe im Fall der Verteilung konkret zu beziffern. Die Feststellungen eines abstrakten Risikos (ohne Benennung einer konkreten Schadenshöhe) reicht nicht aus. Die Urteile wurden aufgehoben:
„Die Annahme des Bundesgerichtshofs, dass sich die Beschwerdeführer mit dem Abschluss von Lebensversicherungsverträgen wegen vollendeten Betrugs und mit der Beantragung von Lebensversicherungsverträgen wegen versuchten Betrugs strafbar gemacht haben, ist dagegen mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG nicht zu vereinbaren, weil es an der von Verfassungs wegen erforderlichen wirtschaftlich nachvollziehbaren Feststellung und Darlegung eines Vermögensschadens fehlt.
Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist zwar der rechtliche Ausgangspunkt des Bundesgerichtshofs, dass bereits der Abschluss eines Vertrags zu einem Vermögensschaden führen kann, wenn der vom Vertragspartner erlangte Anspruch weniger wert ist als die übernommene Verpflichtung (sog. Eingehungsbetrug). Es ist auch jedenfalls grundsätzlich mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz vereinbar, bereits bei der konkreten Gefahr eines zukünftigen Verlusts einen gegenwärtigen Vermögensschaden anzunehmen. Zur Verhinderung einer Überdehnung des Betrugstatbestandes muss jedoch – von einfach gelagerten und eindeutigen Fällen abgesehen – der Vermögensschaden der Höhe nach beziffert und dies in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise in den Urteilsgründen dargelegt werden. Bestehen Unsicherheiten, so kann ein Mindestschaden im Wege einer normativ-wirtschaftlich tragfähigen Schätzung ermittelt werden.
Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen wird das Urteil des Bundesgerichtshofs nicht gerecht, weil es nicht die Feststellung eines konkreten Schadens in den Blick genommen hat, sondern für die Feststellung eines Vermögensschadens (abstrakte) Risiken genügen lässt, die jeder Vertragsschluss mit einem unredlichen Vertragspartner mit sich bringt. Es fehlt an der ausreichenden Beschreibung und der Bezifferung der Vermögensschäden, die durch den Abschluss der Lebensversicherungsverträge verursacht wurden oder – in den Versuchsfällen – verursacht worden wären. Zudem mangelt es an Erwägungen dazu, inwiefern tragfähig geschätzt werden kann, wie hoch zum Zeitpunkt der (beabsichtigten) Vertragsabschlüsse die Wahrscheinlichkeit war, dass die Beschwerdeführer ihren Tatplan erfolgreich ausführen, die Versicherungsleistungen also später tatsächlich an sie ausgezahlt werden würden.“
Bundesverfassungsgericht – Pressestelle -, Pressemitteilung Nr. 88/2011 vom 29. Dezember 2011
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